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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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immer weggeschlossen gewesen war, von Anfang an, vom ersten Abend an, als er sie zu ihrem politischen Treffen gefahren hatte und dann auf sein Konzert verschwunden war. Dieser dunkle Teil ihrer beider Selbst und ihr jeweiliges Bewusstsein davon waren notwendig, um die Ehe, die sie führten, möglich zu machen; und genauso notwendig war es, dass er weggeschlossen blieb. Das war eine der Grundbedingungen des Lebens, die man nicht infrage stellte. »Man stellt«, hatte Albert in einem der Vorträge, die sie für ihn referiert hatte, geschrieben, »die geistigen Prozesse der visuellen Wahrnehmung, mit deren Hilfe wir ständig die Welt um uns herum konstruieren, nicht infrage, obwohl Experimente gezeigt haben, wie fehlbar diese Prozesse sein können. Man stellt sie nicht infrage, weil eine solche Infragestellung das Chaos bedeuten würde.«
    Helen hatte sich, als sie am Mikrofon stand und diesen Satz einem aufmerksamen akademischen Publikum vorlas, gefragt, ob Albert damit nicht einmal mehr einen seiner indirekten Wege gefunden hatte, ihr etwas mitzuteilen. Sie hatte immer das Gefühl gehabt, er spreche zu ihr in Rätseln, und zwar durch seine Arbeit; das Gefühl, dass seine Arbeit eigentlich in erster Linie an sie gerichtet war. Oder vielmehr: was seine Arbeit möglichmachte, war das Bedürfnis, ihr Dinge zu sagen, ohne direkt mit ihr zu sprechen. Und weil die Methode indirekt funktionierte, war Helen aufgefordert, entweder nicht zu verstehen oder aber ihre Erkenntnis in einem Ordner abzuspeichern, der nie geöffnet werden konnte: jedenfalls nichts zu hinterfragen und seine Worte sogar bei hochkarätigen Konferenzen für ihn so vorzutragen, als seien sie für andere bestimmt gewesen . Das Entscheidende war, dass sie beide nie wirklich miteinander sprechen durften. Um das zu erfüllen, mussten sie wissen, worüber sie nicht sprechen durften. Helen war gut darin. Wäre sie es nicht gewesen, hätte ihre Ehe niemals gehalten. »Jede Stabilität im Verhalten« – so Alberts Schlussfolgerung, die sie jenen Professoren in New York vorgelesen hatte –, »im Grunde alle funktionierenden zweigleisigen Beziehungen, beruhen folglich auf verfälschenden Systemen der Wahrnehmung, Interpretation und Kommunikation, von denen die Sprache, in der dieser Vortrag verfasst wurde, nur eines ist.«
    Albert, das hatte Helen während des folgenden Applauses gespürt, verabschiedete sich gern von seinem Publikum mit einem Zaubertrick, durch den sowohl er selber als auch die Thesen, die er soeben entwickelt hatte, mit einem Knall in einer Rauchwolke verschwanden, durch den gewissermaßen der Moment höchster intellektueller Brillanz mit dem Moment kompletter Selbstauslöschung zusammenfiel. Nur sie war noch da, stand auf dem Podium und wartete verlegen lächelnd darauf, sich den Fragen der Zuhörer zu stellen, ähnlich wie sie sich jetzt schon seit Monaten den Fragen dieses nervigen Amerikaners stellte. »Du tust es für mich, Helen«, hatte Albert in der Dunkelheit ihrer letzten Nacht geflüstert. »Du weißt gar nicht, wie dankbar ich dir bin.« Sie lagen Arm in Arm. Die vertraute Spannung hatte ihren Höhepunkt erreicht. Das Netz, das sie gesponnen hatten, war so eng und zugleich so fragil wie noch nie. Seine Stimme klang gequält, verführerisch. Er ließ Helen zurück.Die Spritze lag bereit, um ihn auszulöschen. Es Helen machen zu lassen war brillant. Es war die erste Injektion, die sie ihm geben durfte. »Helen, Helen, Helen«, flüsterte er, »was für eine wunderbare Vollendung.«
    Für dich , murmelte sie in den langen Nächten, die folgten; für dich, lieber Albert, aber nicht für mich. Der Tod ihres Mannes war für Helen keine Vollendung. Er war ein reiner Verlust. Es war ihr schön vorgekommen, aber nur als es geschah, nur als Erfüllung seines Wunsches, in ihren Armen zu sterben, durch ihre Hand, innerhalb der sicheren Burg ihrer Ehe, seine eigene Geschichte so zu beenden, wie er es wollte. Das war sein dringender Wunsch gewesen. Aber hinterher wurde ihr klar, dass es ein schrecklicher Fehler war. Alberts Qualen waren nicht die Qualen des Krebskranken; sie zwang sich, das zu erkennen. Es war nicht die übliche Angst vor einem langen Todeskampf. Albert hatte noch etliche Jahre vor sich gehabt. Ich wusste das, und dennoch habe ich gemacht, was er wollte. Ich habe so getan, als wüsste ich es nicht. Ich habe ihn nicht gebeten, es mir zu erklären. Ich habe nicht verlangt zu erfahren, wovor er Angst hatte.
    Warum?
    Als Albert noch

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