Traeume von Fluessen und Meeren
Chapatti.
Normalerweise wäre ein solcher Fall nach Hause zu seiner Familie entlassen worden, aber Than-Htay hatte keine Familie. Ersprach immer noch kein Hindi. Er gab sich keine Mühe. Wenn er gebeten wurde zu fegen, hielt er den Besen schlaff zwischen den Fingern, so als hätte er keine Ahnung, wozu er gut war. Seine Augen glänzten, aber sein Blick war leer. Als er gebeten wurde, beim Ausladen eines Lastwagens zu helfen und die Kisten zu sortieren, starrte er nur in die Luft. Auch er war irgendwie weggeschlossen, dachte Helen, im Bann eines Traumas, das sie nie ergründen würde. Albert wäre voll eingestiegen und hätte es herausgefunden. Leidende wussten sofort, dass man Albert alles erzählen konnte. Sie begriffen, dass er nicht versuchen würde, sie zu heilen oder sie aus ihrer Trance zu erwecken; deshalb erzählten sie ihm alles Mögliche und ließen sich von ihm filmen. Sie begriffen, dass er nur schauen wollte; er würde ihnen ihren wertvollen Schmerz nicht nehmen. Komisch, dass er mich nie gefilmt hat, dachte Helen. Er machte keine Videos davon, wie seine Frau einen Knöchel verband oder eine Wunde reinigte. Aber er ließ die Augen nicht von mir. Es war Alberts Blick, der alles möglich machte, dachte Helen; selbst wenn er spöttisch war.
Gegen Mittag war sie mit dem Taxi durch den umherwirbelnden Staub nach Hause gefahren. Der Wind wurde immer stärker. »Ich habe später Nachtdienst«, erklärte sie. »Ich nehme mir den Nachmittag frei.«
Paul gab ihr an der Tür einen Kuss auf die Wange und lächelte. Der Mann war galanter, als sie erwartet hatte, und gewöhnlicher. Sie setzten sich an den Tisch, um zu essen, was Lochana für sie gekocht hatte, und er sagte: »Helen, ich nehme deinen Vorschlag an, wenn er ernst gemeint war. Ich möchte gerne eine Weile mit dir zusammenarbeiten. Ich habe beschlossen, das Buchprojekt aufzugeben. Ich möchte etwas tun.«
Helen wischte sich gerade den Mund ab, und ihre Hand umfasste die Papierserviette fester. »Du hast es dir anders überlegt?« Sie war nicht an Männer gewöhnt, die ihre Meinung änderten. »Nur, weil du eine Nacht im Bett der Witwe verbracht hast?«Sie lächelte sarkastisch. »Das war wohl kaum ein mythisches Erlebnis.«
»Mit der Nacht hat es nichts zu tun«, sagte Paul. Stirnrunzelnd schöpfte er sich Soße auf seinen Reis, steckte die Gabel hinein und aß. Mit vollem Mund sagte er: »Ich war heute Morgen bei Dr. Bhagat. Vielleicht hat das den Ausschlag gegeben.«
»Aha.« Helen zog eine Augenbraue hoch. »War es interessant?«
Paul schluckte, wischte sich den Mund ab, schaute sie an. »Er sagte, er sei nicht der Ansicht, dass Albert schwer krank war, aber dennoch war er nicht überrascht von seinem Tod.«
»Oh.« Helen senkte den Blick auf ihr Essen. »Wie … paradox.«
»Ja, sehr. Er hat mich sogar gefragt, was auf dem Totenschein stand. Als Todesursache.«
»Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht.« Sie schob ihren Teller weg, stand auf und machte eine Schranktür auf. Beiläufig fügte sie hinzu: »Ich habe Kulwant gebeten, ihn auszustellen.«
»Aha. Kulwant.«
»Du kannst also ihn fragen. Wenn es dich interessiert.«
Paul wusste, sie wollte ihn provozieren, und ging über die Bemerkung hinweg. Zögernd sagte er: »Wie auch immer, als ich ging … also, ich fand plötzlich, genug ist genug. Verstehst du? Ich möchte etwas Anderes machen, so wie du mir vorgeschlagen hast. Ich möchte mit anpacken, möchte das wirkliche Leben erleben, anstatt abstruse Gedanken zu verfolgen.«
Als sie sich wieder umdrehte, um ihn anzuschauen, hatte Helen plötzlich einen Kloß im Hals. Damit hatte sie nicht gerechnet: ein Mann, der ihr zustimmte. Sie kam wieder zum Tisch, setzte sich, nahm die Gabel in die Hand und versuchte zu lächeln. »Eigentlich dachte ich, es war ein Fehler, dich zu fragen. Du bist zu sehr an dein bequemes Leben gewöhnt.« Jetzt schaute sie ihm direkt in die Augen. »Nicht wahr, Paul?«
Da musste er lachen. »Höchstwahrscheinlich!« Er häufte sich erneut die Gabel voll. »Aber jetzt will ich mir endlich mal die Hände schmutzig machen.«
»Ärzte geben sich die größte Mühe, damit ihre Hände sauber bleiben«, murmelte sie.
»Ich erwarte nicht, Operationen am offenen Herzen durchzuführen, Helen.«
»Und was ist mit Albert?« Unvermittelt ging ihre Stimme in ein mädchenhaft entrüstetes Quieken über. »Du willst Albert fallen lassen! Nachdem du so einen Aufstand gemacht und mich monatelang belagert hast? Seine
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