Traeume von Fluessen und Meeren
Wirkung. Was, wenn die Dunkelheit einfach ein Loch ist? Eine Grube? Sie könnte riesig oder klein sein. Er wird in die Jauche fallen. Apropos Katastrophe. Aber er muss kacken, und zwar jetzt ! Es gibt kein Zurück. Er macht einen Schritt um die Tür herum und zieht sie zu. Mag sein, dass auf dieser Seite auch ein Haken ist, aber er schert sich nicht darum.
Er hat keine Zeit. Der Geruch ist überwältigend. Ebenso die Hitze. Er hört ein Trippeln. Mit der rechten Hand tastet er auf Kniehöhe nach einem Sitz. Nichts. Nicht atmen. Er lehnt sich mit der Stirn gegen die Tür. Sonst verliert er jede Orientierung. Er knöpft seine Jeans auf, schiebt sie hinunter, hockt sich hin,kackt heftig und dünn, Gott, hoffentlich hängt sein Arsch nicht über seiner Jeans oder seinen Füßen. Er ringt nach Luft. Es kommt noch mehr. Eine Hand an der Tür, hockt er zitternd da, sein Darm brennt, kalter Schweiß rinnt ihm über Schläfen und Nacken.
Und es ist kein Papier da. John ist richtig wütend. Wieso hat er sich dazu bringen lassen, hierherzukommen? Erst der Sturm, dann dieser fürchterliche Ort. Vielleicht ist irgendwo ein Schlauch und ein Hahn, oder ein Eimer. Dann kann er sich waschen. Aber wie, wenn er nichts sehen kann? Er kann nicht einfach die Jeans wieder hochziehen. Er ist dreckig.
Der Geruch verursacht ihm Brechreiz. Wieder hört er das Trippeln. Wenn ich ohnmächtig werde, könnte ich von Ratten gefressen werden. Er gerät in Panik. Es ist ein Albtraum. Etwas, aus dem man erwachen will. Gesegnet oder geplagt von Träumen vom Wasser . Hand in Hand hinunter in einen ausgetrockneten Brunnen. Ich könnte hier sterben! sagt John zähneknirschend. Am liebsten würde er schreien. In dem Wasser, in dem der Sarg seines Vaters schwamm, hatte auch Scheiße geschwommen. Er erinnert sich jetzt lebhaft an die Szene. Der Sarg schwamm durch Wasser und Scheiße und stieß dauernd irgendwo an. An einem Ort wie diesem also. Er hockt im Dunkeln und wartet darauf aufzuwachen, wartet darauf, dass alles sich auflöst. Immerhin entspannt sich sein Darm so langsam wieder.
Dann kommt ihm der rettende Gedanke. Ja. Ich bin schließlich nicht blöd. Der Doktortitel ist doch zu etwas gut. Also. Er steht auf, streift die Sandale von einem Fuß, balanciert unsicher auf dem anderen Bein – gar nicht so einfach in kompletter Dunkelheit –, zieht Jeans und Unterhose von dem Bein, dann die Jeans wieder hoch und die Sandale wieder an. Er atmet jetzt tief, egal wie fies die Luft ist. Jetzt hört er eindeutig Tiergeräusche. Egal. Das ist die einzige Lösung. Er wiederholt den Tanz mit dem anderen Bein. Hosenbein und Unterhose aus, Hose wiederan. Symmetrie. Balance! Weiß der Himmel, was jetzt alles an seinen Jeans klebt, aber seine Unterhose hat er in der Hand, sauber. Wo ist die Sandale hin? Ganz kurz berührt sein Zeh den feuchten Boden. Die Sandale, bitte! Da. Jetzt kann er sich mit der Unterhose säubern.
John rechnet sich aus, dass er drei Versuche hat, wenn er sie sorgfältig zusammenlegt. Er hat seine Fassung ein Stück weit wiedergefunden. Er arbeitet schnell und vorsichtig, versucht, die Scheiße nicht zu berühren. Nie wieder. Als er so viel wie möglich abgewischt hat, wirft er die Unterhose in die Dunkelheit – weiß der Himmel, was sich da verbirgt, er hasst Indien – und zieht sich die Jeans hoch. Während er das macht, rennt etwas über seinen Fuß, direkt über seinen nackten Fuß in der Sandale, der automatisch vorschnellt, sodass John sich den Zeh an der Tür stößt. O Gott! Es steckt so viel Schmerz im Körper, der hinauswill. Er fällt beinahe, klammert sich an der Tür fest und zieht sich dabei an dem alten Holz einen Splitter in den Finger. Eindeutig ein Splitter. Aber er hat es geschafft. Er hat es geschafft, er lebt, und gleich fährt er zu seiner Mutter, und dann fliegt er direkt zurück nach England. Auf dem schnellsten Weg.
Kurz darauf, als John durch die Tür tritt und zu den vier Männern blickt, hat er ein entschlossenes, wenn auch grimmiges Lächeln auf dem Gesicht. Die Männer lächeln zurück. Der Inhaber schaut neugierig von seinem Buch auf. Jasmeet fragt: »Geht es Ihnen nicht gut, Mr. John? Sie sind blass.«
»Wir brauchen ein Taxi«, sagt John.
26
Helen wusste, dass Albert ihr nicht die ganze Wahrheit über sein Leiden gesagt hatte. Aber dieses Wissen stand nicht für Reflexion oder Erläuterungen zur Verfügung. Es war weggeschlossen. Es gab ein Wissen über Albert, über ihre Ehe, ihr gesamtes Leben, das
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