Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
Vom Netzwerk:
lächelnd gesagt. Sie machte sich lustig.
    John wandte sich Jasmeet zu, brüllend, einen Arm schwenkend. Die Wände waren übersät mit Zeichnungen von seltsamen Tieren. Zeichnungen von Figuren mit Elefantenohren, mit Schlangen auf den Köpfen, mit zu vielen Armen. Von Ratten und seltsamen Vögeln. Dad. Dad war hier und hat die Wände bemalt. Dad hat sich seinen Computer zurückgeholt. Es ist seine Rache, weil ich ihn gezeichnet habe. O Gott. Wo ist die Zeichnung von Dad? Wo ist sie?
    Jasmeet liegt schluchzend auf dem Bett. »Mr. John. Mr. John. Hören Sie auf!«
    Als sie den Kopf hebt, sieht er, dass sie aus Nase und Mund blutet. Erschrocken weicht er zurück und rennt dann ins Badezimmer, um sich zu übergeben.

28
    »Ich war mir ganz sicher, dass er hier ist«, sagte die junge Frau noch einmal. Sie stand am Fenster; sie war fassungslos. »Ich wollte ihn überraschen. Und jetzt … ich hätte nie gedacht … Was soll ich denn jetzt machen? Ich weiß überhaupt nicht, was ich jetzt machen soll.«
    Sie hielt inne. Der Wind hatte sich gelegt, und es regnete stark. Paul, der neben ihr stand, sah, wie das Taxi drei Stockwerke unter ihnen am Straßenrand hielt und Helen schnell aus dem Eingang trat und ihren Schirm zuklappte, um einzusteigen.
    »Ich komme mir so dumm vor!«, sagte die junge Frau. »Ich habe mich so gefreut herzukommen.«
    Sie hatten versucht, John auf dem Handy anzurufen, aber es war ausgeschaltet. Sie hatte ihm unzählige Nachrichten geschickt, in denen sie ihm mitteilte, dass sie hier war. Er würde sie sehen, sobald er das Telefon wieder einschaltete.
    Sie setzte sich. »Ich dachte, so könnte ich ihm beweisen, dass er mir nicht egal ist. Ich dachte, er würde sich total freuen.«
    »Das ist ein großer Schritt«, stimmte Paul zu, »einfach so nach Indien zu fliegen.«
    Der Amerikaner betrachtete sie. Sie war eine merkwürdige Erscheinung, beinahe zu schlank und mit einer eigenartigen Abruptheit in den Bewegungen, so als würde sie schnell von einer Pose zur nächsten wechseln. Dann saß sie still, wirkte aber so angespannt wie eine Katze, die jeden Moment aufspringen wird. Ihre Brüste über den engen Jeans und ein paar Zentimeternnackter Taille wirkten unpassend groß und füllten das enge T-Shirt mehr als aus. Sie wirkte schmerzhaft unsicher. Paul lächelte.
    »Hoffentlich habe ich Mrs. James keine Angst gemacht«, sagte sie.
    »Ich glaube, dazu braucht es ein bisschen mehr«, versicherte er ihr. »Sie ist eine robuste Person.«
    Es war kaum mehr als eine Stunde her, seit es an der Tür geklingelt hatte. Innerhalb von Sekunden wechselte Helen von extremer Aufgewühltheit zu eiskalter Sachlichkeit. Paul gefiel das.
    »Das wird Kulwant sein«, hatte sie gesagt, während sie in die Ärmel eines Bademantels schlüpfte. »Wenn man ihm sagt, tu dies oder jenes nicht, dann tut er es erst recht.«
    »Soll ich verschwinden?« Nach zwei Scheidungen war Paul an die lächerlichen Seiten ehebrecherischer Affären gewöhnt. Er hatte Mädchen unter dem Bett versteckt und war auch selbst schon einmal erwischt worden, als er sich im Kleiderschrank versteckte.
    »Wozu das denn?«, fragte Helen, die sich gerade den Gürtel des Bademantels zuband. Ihr war es ganz egal, was die Leute dachten.
    Dann, als sie die Haustür aufmachte, stand sie einer jungen Frau mit Rucksack und einer Plastiktüte aus dem Drogeriemarkt gegenüber.
    »Sind Sie Mrs. James?«, fragte das Mädchen. »Ich bin Elaine Harley, Johns Freundin.«
    Paul war im Durchgang stehen geblieben, um die Szene zu beobachten. Das Gesicht des Mädchens war irgendwie leicht schief und man hatte den Eindruck, als spräche sie aus dem Mundwinkel. Sie hatte helle Sommersprossen auf der milchigen Haut und eine schmale, nicht ganz gerade Nase. Helen war höflich und warm. »Oh, wie schön! Ja, Elaine! Komm doch herein!«
    Sie bat das Mädchen, sich zu setzen. Sie brachte ihr ein GlasWasser aus dem Kühlschrank. Sie sagte, sie sei bestimmt müde. »Was für eine wunderbare Überraschung! Du meine Güte! John hat so viel von Ihnen erzählt, als er im Januar hier war. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie zu Besuch kommen wollten.«
    Elaines Lächeln gefror. »Ist er denn nicht hier?« Sie schaute sich in der Wohnung um.
    Helen hatte sich gerade zu ihr gesetzt. »Wer? John?« Sie sah das Gesicht des Mädchens. »Nein. Sollte er hier sein?«
    Elaine zitterte. »Er ist nicht hier? Ist er irgendwo auf Reisen?«
    »John ist doch in London, oder nicht?«, fragte Helen.

Weitere Kostenlose Bücher