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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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plötzlich, wenn man dem Bedürfnis zu schmeicheln, zu überzeugen und zu verführen entkommt, dann bleibt am Ende nur noch man selbst übrig, das eigene Ich.
    In der Lobby des International Centre war es an diesem Abend ruhig, und der PC unter der Treppe war frei. Paul erinnerte sich daran, weil er vor ein paar Jahren hier war, als er für den Globe gearbeitet hatte; die Verbindung war langsam gewesen und die Tastatur klebrig. Er erinnerte sich, dass er lange warten musste, während andere das Gerät mit Beschlag belegten. Die ältere Rezeptionistin schaute höflich zu, wie der Amerikaner in seiner feuchten Jacke auf und ab ging.
    »Falls Sie ins Internet möchten, kein Problem, Sir«, sagte sieschließlich. Sie war damit beschäftigt, Papiere zusammenzuheften.
    »Ich wohne eigentlich nicht hier«, sagte Paul.
    »Das ist kein Problem, Sir, wenn Sie auf einen Gast warten.«
    Paul ging zu dem Gerät hinüber, zögerte jedoch. Amy hatte ihm sicher geschrieben. Er hatte mit Amy immer viel Spaß gehabt, aber es kam überhaupt nicht infrage, ihr vorzuschlagen, herzukommen und mit ihm nach Bihar zu gehen.
    Immer noch zögernd tastete Paul nach seinen Zigaretten und steckte sich eine an. Albert James hatte jede Handlung für entscheidend und potenziell verhängnisvoll gehalten: Jeder Schritt, den eine Person machte, war unwiderruflich, jede Erfahrung in Stein gemeißelt. Was mich betrifft, scheinen Beziehungen einfach an mir abzuperlen. Er inhalierte tief. So zwanghaft es auch sein mochte, niemand würde ihn je dazu überreden können, mit dem Rauchen aufzuhören.
    Ein Aschenbecher stand auf einem kunstvollen Metallständer neben dem Computerhocker. Paul drehte die Zigarette sanft herum, um die brennende Spitze frei zu machen. Er machte das gern. Du kannst natürlich deiner Mutter schreiben, dachte er kichernd, ihr mitteilen, dass ihr ungezogener Sohn künftig wohltätige Arbeit machen wird. Das würde der alten Dame bestimmt gefallen! Aber warum war es ihm immer noch wichtig, was seine Eltern von ihm hielten? In meinem Alter! Oder warteten vielleicht alle, fragte er sich jetzt, im Grunde nur darauf, endlich den Spieß umzudrehen und zu zeigen, wie brav sie gewesen waren?
    In dem Bewusstsein, als älterer Mann in der Hotellobby auf eine hübsche jüngere Frau zu warten, lächelte Paul schief. Einen Augenblick lang, wie er so unten an der Treppe neben dem Computer stand, kam es ihm so vor, als stünde er genau zwischen seinem alten, selbstbewussten, hart arbeitenden Schürzenjäger-Ich und einem vollkommen losgelösten und asketischen neuen Selbst: einem schlankeren, gelasseneren, ruhigerenund zweifellos besseren Paul, der in einem schlammigen Dorf gewissenhaft ausführte, was Helen James ihm auftrug, der sich diese bemerkenswerte Frau zum Vorbild nahm und von ihrem reichen Erfahrungsschatz zehrte. Er würde kranke Menschen waschen. Ihre Kotze und ihre Exkremente riechen. Später kannst du dann darüber schreiben, sagte er sich etwas freimütiger; dann wird deine Arbeit womöglich eine Authentizität besitzen, die sie vorher nicht hatte. Dann wird man dich endlich ernst nehmen müssen. Er war immer für einen Handwerker gehalten worden, einen Opportunisten. Nach einer solchen Erfahrung würde er weitaus überzeugender wirken.
    Paul schaute auf seine Armbanduhr und fragte sich, ob Elaine wohl duschte oder sich etwas Hübscheres anzog. Ihm gefiel die kindliche Art, sich am Ohr zu zupfen, und ihre vor Eifer verzogenen Lippen, wenn sie eine SMS in ihr Handy hackte. Schließlich setzte er sich doch an den Computer und überlegte, welche finanziellen Auswirkungen es haben würde, wenn er ein ganzes Jahr lang kein Geld verdiente.
    Es war ein alter CRT-Monitor. Paul rief Gmail auf und hatte gerade seine Adresse und sein Passwort eingegeben, als er das Quietschen eiliger Gummisohlen auf der Betontreppe hörte.
    »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.«
    »Macht nichts.«
    Man sah auf den ersten Blick, dass Elaine die Zeit damit verbracht hatte, sich nach dem Weinen wieder frisch zu machen. Sie trug einen knielangen Rock, aber dazu Turnschuhe.
    »Fühlen Sie sich besser?«, fragte Paul in aufmunterndem Tonfall, dann rief er: »Aaah, dreiundvierzig Mails, das darf nicht wahr sein!«
    »Wenn Sie noch arbeiten wollen, dann lese ich so lange«, bot sie an.
    Paul scrollte abwärts und sah Amys Namen ein halbes Dutzend Mal.
    »Dann sind wir morgen noch hier«, sagte er und loggte sich aus. »Gehen wir essen.«
    Wie in Indien nicht

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