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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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viktorianischen Antiquitäten.
    »Dad hätte etwas gebraucht, das ihm geholfen hätte, seine Gedanken zu bündeln«, sagte John schließlich.
    Granny Janet wandte sich vom Fenster ab und starrte ihn an, als hätte der Junge unerklärlicherweise das Thema gewechselt.
    »Ich meine, ein Gruppenprojekt«, sagte John. »Irgendetwas mit Teamarbeit. Dad war immer total zerstreut, folgte jedem Einfall oder schwamm einfach mit dem Strom.«
    »Weil deine Mutter ihn immer ganz für sich behielt! Das war auch ein Grund, warum sie ihn in alle Winkel der Welt schleppte. Sie wollte ihn ganz für sich allein haben.« Dann fügte Granny Janet leiser hinzu: »Helen war früher sehr schön, weißt du. So eine Verschwendung!«
    »Ich weiß«, sagte John anerkennend. »Das ist sie immer noch.« Er spürte eine Welle von Emotionen in sich aufsteigen.
    Granny Janet schaute ihn scharf an. »Ich möchte nicht, dass du heiratest, solange du von mir Geld bekommst. Ist das klar? Du bist noch zu jung.«
    »In Ordnung.« John fasste sich ein Herz. »Ich brauche ungefähr 5000 Pfund jetzt gleich«, sagte er geradeheraus.
    Im Stehen über einen Schreibtisch gebeugt, füllte die alte Frau einen Scheck aus. »Jack!«, rief sie noch einmal. »Jack!Komm doch wenigstens kurz auf Wiedersehen sagen.« Sie wartete einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf. »Ich fürchte, er würde dich nicht mal wiedererkennen.«
    »Ich kann ja nach oben gehen«, bot John an.
    »Nein, nein, nein. Ich bin jetzt zu müde, Johnny. Das hat mich jetzt viel Kraft gekostet, weißt du. Du liebe Güte, mich so zu überfallen, ohne Vorwarnung. Ich bin über achtzig, mein Schatz, ich muss mich jetzt ausruhen.«
    Dann schob sie ihn regelrecht zur Tür hinaus.

    Und so hatte John James in nur anderthalb Stunden bekommen, was er wollte: Geld. Und während er auf dem Hinweg nach Richmond lange konfus herumgeirrt war, ohne überhaupt zuzugeben, dass er dorthin wollte, war er auf dem Rückweg zu Elaine, der er gleich die gute Nachricht überbringen wollte, hellwach und zufrieden, und alle U-Bahn-Verbindungen klappten reibungslos.
    »Oje, ich habe gleich Probe«, rief Elaine. Sie wollte nicht mit ihm anstoßen, aber sie zog ihn ins Schlafzimmer, und sie liebten sich so schnell und begierig wie noch nie zuvor. »Gut, dass wir nicht heiraten müssen!«, rief sie. Das spitzbübische Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. »Herzlichen Glückwunsch, Jo«, flüsterte sie. »Schön, dass jetzt alles wieder normal ist.«
    »Tatsächlich hat Mum Dad angebetet«, sagte John etwas später zu ihr, nachdem er die Tirade seiner Großmutter wiedergegeben hatte. »Und Dad hat Mum auch sehr verehrt. Die beiden standen sich sehr nah.« Sein Kopf lag beim Sprechen auf dem Kopfkissen, während Elaine sich eilig anzog, weil sie gehen musste.
    »Sie war oft der einzige Arzt, der ohne Bezahlung zu arbeiten bereit war. Manchmal kaufte sie sogar die Medikamente für die Patienten selber. In Notfällen benutzte sie dafür Dads Forschungsgelder. Er widersprach nie. Dad hat eigentlich nie gegen irgendetwas Widerspruch eingelegt.«
    »Weil sie sich wirklich berufen fühlte«, seufzte Elaine, während sie ihre Strumpfhose hochzog. »Und er sie wirklich geliebt hat. Ich hoffe, ich kann mich dem Theater mit ebenso viel Hingabe widmen. Ich hoffe, ich bekomme die Gelegenheit dazu.«
    John wandte ein, dass das etwas anderes war. »Du spielst Theater, weil es dir Spaß macht und weil du berühmt werden willst. Mum tut alles nur für andere.«
    »Stimmt nicht«, sagte Elaine stirnrunzelnd. »Ich liebe die Bühne, die Schauspielkunst. Das ist meine Leidenschaft. Was glaubst du wohl, warum wir immer so lange proben?«
    Ihr Freund betrachtete sie kopfschüttelnd. Aber er wollte ihr nicht widersprechen. Sie waren zum ersten Mal wieder glücklich, seit er die Nachricht vom Tod seines Vaters erhalten hatte. Vielleicht konnten sie jetzt endlich mit ihrem Leben weitermachen. Zuerst einmal konnte ihr Vater seine 200 Pfund zurückbekommen.
    Aber etwa eine halbe Stunde nachdem sie gegangen war, fing John an, im Zimmer auf und ab zu gehen. Warum hatte seine Mutter nicht auf seine Mails geantwortet? Seine Eltern hätten ihm das Geld geben sollen, dachte er, nicht eine aufgedonnerte Großmutter, die mit ihnen noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Was sollte das heißen, er war nicht alt genug zum Heiraten? Es war ja noch nichts entschieden. In seiner Erregung zog John seinen Mantel an und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung, blieb

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