Traeume von Fluessen und Meeren
sie heiratet keinen, der dabei nur an sein Vermögen denkt. Sie verlangt Gleichberechtigung.«
»Recht hat sie!«, applaudierte Helen und fügte augenzwinkernd hinzu: »Kulwants Tochter hat Albert manchmal bei seinen Recherchen geholfen.«
»Sehr interessant, wie denn?«, fragte Paul.
Kulwant zuckte die Achseln. »Frag mich nicht! Aber eigentlich« – er wandte sich Helen zu – »war es ziemlich dumm von Jasmeet, Nein zu sagen, weil die Familie des Bräutigams gezögert hat. Schließlich würde doch keiner seinen Jungen mit einem einbeinigen Mädchen verheiraten wollen, oder? Wenn es so gekommen wäre, was Gott sei Dank nicht der Fall ist. Meiner Meinung nach hat die Familie gut daran getan abzuwarten.« Augenzwinkernd fügte er hinzu: »Hätte Albert dich geheiratet, wenn du nur ein Bein gehabt hättest?«
Paul war überrascht von der Taktlosigkeit der Frage angesichts der Tatsache, dass der Mann vor Kurzem erst gestorben war, aber Helen schien es mit Humor zu nehmen.
»Ganz bestimmt hätte er das«, sagte sie. »Aber vielleicht waren für Albert die Beine einfach nicht das Wichtigste.«
Der Sikh brach in lautes Lachen aus, als verfüge er über geheime Informationen, die ihre Bemerkung unglaublich komischerscheinen ließen. Er musste prusten und zog ein Taschentuch hervor.
»Gesundheit«, sagte Helen lächelnd und fuhr fort: »Aber was ist mir dir, Paul? Würdest du deine kleine Hübsche aus Boston – verzeih mir, aber ich habe ihren Namen vergessen – noch heiraten, wenn sie eins ihrer reizenden Beine verlieren würde?« Zu dem Sikh gewandt erläuterte sie: »Unser Mr. Roberts will nämlich demnächst zum dritten Mal heiraten.«
»Oh, meine herzlichsten Glückwünsche, Sir«, sagte Kulwant und neigte Paul seinen Turban entgegen. Die Art, wie sich seine Lippen in dem dunklen Bart bewegten, hatte etwas Boshaftes. »Ihr Amerikaner seid wirklich unternehmungslustig! Ich fürchte, in unserer Religion ist die Ehe eine Sache für die Ewigkeit, wie meine liebe Frau mir ständig in Erinnerung ruft.«
»Würdest du das Mädchen heiraten«, wiederholte Helen, »wenn sie einen Unfall hätte?«
»Ich hatte eigentlich nicht vor, sie gleich nächste Woche zu heiraten«, sagte Paul, um Zeit zu gewinnen. Ihm fiel auf, dass Helen James ihn ständig auf die Probe stellte, so als meine er es nicht ernst. »Aber wenn ich es mir recht überlege«, sagte er, »nein, das würde ich wohl nicht tun. Sie haben recht«, sagte er zu Kulwant, »ein Mann wünscht sich natürlich eine Frau mit zwei schönen langen Beinen.«
»Die sich um seinen Rücken schlingen können!«, sagte der Sikh mit viel zu lautem Lachen.
»Worüber redet ihr eigentlich gerade?«, erkundigte sich Mrs. Verma.
Helen strich ihr Kleid auf ihrem Schoß glatt: »Unser amerikanischer Freund hat eben gesagt, dass er seine junge Freundin doch nicht zur dritten Mrs. Roberts machen wird, wenn sie eins ihrer Beine verliert.«
»Ach herrje, ist sie krank?«, fragte das chinesische Mädchen.
Paul lachte. »Das ist rein hypothetisch. Man hat mich provoziert, etwas zu sagen, was politisch unkorrekt ist.«
»Und wie viel jünger ist sie, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Aradhna Verma.
»Siebzehn Jahre.«
»Ach wie traurig!« Die Gandhi-Frau klatschte schockiert in die Hände. »Wirklich traurig!« Der silbrige Stoff ihres Sari raschelte. »Ich meine, was kann ein erwachsener Mann schon mit so einer Göre anfangen? Und was mag sie wohl bei Ihnen suchen, das arme Ding? Sie sollte sich lieber in der Disco austoben.«
»Keine Ahnung, was sie sucht, gefunden hat sie ungefähr dreißig Pfund zu viel, das gebe ich gern zu«, sagte Paul. »Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir uns wunderbar verstehen.«
»Wie Feuer und Flamme«, sagte der Sikh lachend und musste sich erneut die Nase putzen.
Die Frauen protestierten pro forma.
Paul fügte hinzu: »Eigentlich fand ich Gandhis Haltung zur sexuellen Enthaltsamkeit immer ein bisschen unsinnig. War es wirklich nötig, dass er im Zölibat lebte?«
»Das Zölibat ist das Markenzeichen des Heiligen«, antwortete Aradhna Verma sehr ernst. »Die Abkehr vom Sexuellen kann einen großen Einfluss auf die Anhänger haben. Sie ist eine Garantie für Reinheit.« Aber dann musste sie doch lächeln. »Allerdings glaube ich kaum, dass wir besonders erfreut wären, wenn unsere Männer sie uns auferlegten, wie der Mahatma es mit Kasturbai gemacht hat. Könnt ihr euch das vorstellen? Hör zu, Frau, von jetzt an kein Sex
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