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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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Elaine war er kaum interessiert. Mein Leben bestand aus einer Reihe von Institutionen, dachte er. Auf den Stufen einer Universität fühlte er sich zu Hause. Es gab das Kricket-Team, das College-Boot, die Gruppenprojekte im Labor. Ich habe überall meinen Beitrag geleistet. Wenn er ins Labor zurückkehrte, wäre er wieder interessiert.Sofort. Wie ein Licht, das automatisch angeht, wenn man ins Zimmer tritt. Er wusste das genau. Es würde ihm Spaß machen, über Stoffwechselvorgänge und Hydrokarbonketten nachzugrübeln, im Team mit anderen, denen er zeigen konnte, was in ihm steckte. Aber Vater war immer leidenschaftlich bei der Sache gewesen; er brauchte dazu kein Labor und keinen bestimmten Ort. Und er forschte allein . Sobald es ein Team gab, stieg Dad aus. Und doch hatte alles, was er erforschte, mit Menschen zu tun, nicht mit unpersönlichen Dingen. Mit einer Frau, die Bananen verkaufte. Vater hätte von ihr ein Video gemacht. Mit einem Mädchen, dass seiner Mutter die Flöhe aus dem Haar klaubt. John spürte einen Hauch von Verständnis, nur ganz vage, wortlos.
    »Pardon? Sind Sie nicht Mr. James?«
    Er schaute hoch und erblickte den ernsten, bebrillten jungen Dozenten, der ihm vor Monaten am Tisch gegenübergesessen hatte.
    »Hallo«, sagte John. Er hatte den Mund voll. Beschämt wegen der Bananen rappelte er sich auf. »Ich fürchte, ich habe Ihren Namen vergessen. Aber wieso erinnern Sie sich an mich?«
    »So viele Europäer gibt es hier ja nicht, oder?«, sagte der Mann lachend. »Ich bin Dinesh. Aber ich glaube nicht, dass ich mich Ihnen vorgestellt habe.«
    Dinesh nahm ihn auf einen Tee mit in die Mensa, und John fiel wieder ein, warum er zur Universität gekommen war. »Ich war auf der Suche nach Sharmistha«, sagte er, »wissen Sie noch, die Frau, die mir damals beim Essen gegenübersaß? Ihren Nachnamen kenne ich nicht.«
    »Puri«, sagte er. »Sharmistha Puri.« Er erzählte, wie interessant er Johns Ausführungen an dem Tag gefunden hatte: dass die Vorgänge des Lebens viel zu komplex seien, um von einem einzigen Geist erfasst zu werden, und man sich deshalb zusammentun müsse, um sie zu verstehen. Er selber arbeitete imBereich der Kommunikationstheorien, wo die meisten allerdings nur herausfinden wollten, wie man eine Nachricht am besten jemand anderem übermittelt, damit dieser oder diese sich auf eine bestimmte Weise verhält, etwas kauft oder diese oder jene Partei wählt, wobei man oft ganz vergaß, dass Kommunikation immer zweigleisig funktionierte.
    Der Inder lachte und zündete sich eine Zigarette an. »Geschäftsleute und Politiker sind so naiv! Sie glauben, sie hätten das Sagen, dabei wird ihr Verhalten viel mehr von der Öffentlichkeit bestimmt als umgekehrt. Aber das war natürlich das Forschungsfeld Ihres Vaters. Er kam zweimal im Jahr her, um zu den Studenten zu sprechen. Ich weiß noch, wie er sagte: Nur ein Toter kann kommunizieren, ohne sich dadurch selbst zu verändern. Und Gott natürlich. Kein Feedback für die Sterne!«
    John starrte den Mann an. »Wissen Sie, wo ich sie finden kann?«, fragte er. »Sharmistha, meine ich.«
    Dinesh führte ihn über den Campus zum Zoologischen Institut, wo sie schließlich ein Büro fanden, in dem man Sharmisthas Telefonnummer haben sollte. Ein Ventilator drehte sich träge und brachte einen Stapel Papiere zum Rascheln. Eine Frau im mittleren Alter erzählte ihnen etwas von der Wahrung der Privatsphäre. Die Polster waren schäbig, und die uralten Telefonapparate hatten Schlösser an den Wählscheiben. »Bitte, Madam, das hier ist der Sohn von Professor James«, wandte Dinesh ein. »Dr. Puri wird erfreut sein, von ihm zu hören.«
    »Sie können sie von meinem Handy aus anrufen«, bot er im Flur an. Er schien begriffen zu haben, dass der junge Engländer eine persönliche Krise durchmachte. Vielleicht denkt er, ich bin in sie verknallt, dachte John.
    Ein Mann ging ran. Obwohl John dem Akzent nach vermutete, dass es der Deutsche war, der sie zu den Sufi-Gräbern begleitet hatte, sagte er nicht Hallo, sondern fragte gleich nach Sharmistha.
    »Ich bin John James«, erklärte er.
    »Oh, wie schön.«
    Sofort wurde ihm klar, dass er in einem peinlichen Moment anrief.
    »Ich bin für ein paar Tage nach Indien zurückgekehrt. Ich dachte, wir könnten uns vielleicht treffen.«
    Sie legte eine Hand auf den Hörer, um mit dem Deutschen zu reden. Dann sagte sie voller Begeisterung: »Kommen Sie heute Abend, John, es gibt eine Farmhouse-Party, außerhalb

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