Traeume von Fluessen und Meeren
waren. Während er aufstand, fragte John: »Glaubst du, mein Vater hat in Indien gelebt, weil es hier so billig ist?«
»Kann sein!« Sie nahm von jemandem eine Zigarette entgegen, stieg ins Wasser und aschte dabei in ein Glas am Rand des Beckens. Einen Augenblick später war John neben ihr, ebenfalls rauchend. Die Abendluft war jetzt samtig, alles wirkte verschwommen und grünlich. Er inhalierte tief. Er hatte immergefunden, dass Rauchen eine der dümmsten Angewohnheiten war, die man haben konnte. Zwei, drei Leute schwammen rauchend und mussten ihre Zigaretten hoch über das Wasser halten.
»Komisch, wie ähnlich du ihm bist«, sagte Sharmistha. »In deiner Art zu reden, meine ich.«
»Ich fühle mich ihm nicht ähnlich«, sagte John. »Genau genommen ist mir schwindelig. Wusstest du übrigens, dass Dad eine Gruppe von Leuten zusammengestellt hatte, die ihr Leben darstellen sollten, oder so etwas in der Art? Das hat mir jemand erzählt.«
»Bei der Trauerfeier war doch so ein junger Angeber von der Schauspielschule«, sagte sie. »Weißt du noch?« Sie stand direkt neben ihm, ihre braune Haut wurde von den Unterwasserlampen angestrahlt. »Albert war ein toller Mann«, fügte sie hinzu.
»Und gleichzeitig studierte er das Verhalten von Spinnen! Das macht mich manchmal richtig wütend, weißt du«, sagte John mit Nachdruck in der Stimme. »Ich meine, wie Dad sein Talent vergeudet hat. Mit abartigen Dingen. Das macht mich wahnsinnig.«
Sharmistha betrachtete den jungen Mann. Sie schien seine innere Anspannung attraktiv zu finden. »Soweit ich es verstanden habe«, sagte sie, »hat er gerne die verschiedensten Dinge und Menschen ausführlich beobachtet, um herauszufinden, ob er sie irgendwie aufeinander abbilden konnte. Das war einer seiner Lieblingsausdrücke. Etwas auf etwas Anderem abzubilden und zu vergleichen. Er hat uns immer gesagt, wir würden nie irgendwelche neuen Erkenntnisse über Spinnennetze gewinnen, wenn wir sie nicht auf etwas ganz Anderes drauflegten und damit verglichen: mit U-Bahn-Netzen, Blattmaserungen, Choreografien.«
John schüttelte den Kopf, aber dann war plötzlich ihr Mund an seinem Ohr. »Warum legst du dich heute Nacht nicht auf mich drauf, Süßer? Hast du Lust?« Sie küsste seinen Nacken. Sieatmete hörbar beim Sprechen. John blickte hoch und sah, dass andere es sahen. Eine dicke alte Inderin lächelte, als sie im Morgenrock vorbeiging.
Auf der Rückfahrt im Auto saß Sharmistha wieder zwischen Heinrich und John. Wieder konnten die beiden Männer sich über Sharmisthas dicke Haare hinweg anschauen. Ihr Mann wirkte ganz entspannt. Sie hatte ihren Dutt gelöst. Vorne saß jetzt Priya am Steuer, und Rajit, der viel getrunken hatte, drehte sich immer wieder stirnrunzelnd und tadelnd zu Heinrich um. »Du solltest auf deine Frau aufpassen«, erklärte er ihm gut hörbar. Sein Schnurrbart streckte und sträubte sich. »Was ist los mit dir?«
Sharmistha kicherte wiederholt. Sie lehnte sich an John und streichelte seine Beine. »Wir fahren Sie zurück in Ihr Hotel«, sagte Rajit zu dem Engländer, aber Sharmistha bestand darauf, dass John bei ihr übernachtete. »Um drei Uhr morgens ist das Hotel bestimmt geschlossen, Rajit! Stimmt’s, Heini?« »Das weiß ich nicht«, sagte Heinrich.
John wurde erst, als sie alle im Flur ihre Schuhe auszogen, vollständig klar, dass Heinrich und Sharmistha zusammen wohnten. Ich habe zu viel getrunken und zu viel geraucht, dachte er.
»Mach uns einen Kaffee«, sagte Sharmistha zu dem Deutschen und führte John dann an der Hand einen Flur entlang zum Schlafzimmer. Ihre nackten Füße machten ein tapsendes Geräusch. Sie rannte fast. John folgte ihr. Die Nähe der Frau hatte ihn überwältigt, der Geruch ihrer Haut, ihre willigen Küsse, ihre sanften, entschiedenen Hände auf seinem Körper.
»Deine Sachen sind feucht«, sagte sie. Er hatte seine Hose über die nasse Unterwäsche gezogen. Sie zog bereits ihr Oberteil aus. Er war verwirrt, irgendwie stolz auf sich, erleichtert, dass er nicht mehr über seinen Vater und seine Mutter nachdachte. Im Handumdrehen lag er neben ihr auf dem Bett. Ersagte ihr, was für schöne Haut sie habe, was für eine hübsche Stimme. Er wusste nicht, was er sagte. Halb weggetreten murmelte er einen Standardsatz über Verhütung. Ihre Lippen lagen auf seinem Hals; sie schien ihn mit ihrem Speichel zu bedecken. »Du brauchst nichts«, murmelte sie. »Ehrlich nicht, mein Süßer.« Ihre Körper umschlangen sich. Ich lebe,
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