Träume wie Gold: Roman (German Edition)
an sein geschwollenes Auge und zuckte zusammen. Er hatte es nicht eilig, er war ein geduldiger Mensch. Sechs Monate. Ein Jahr. Bis dahin hatten sie ihn gewiss vergessen. Er sie jedoch nicht.
Und diesmal würde er sich auch nicht vornehmen, diese Conroy auf humane Weise ins Jenseits zu befördern. Nein, ganz bestimmt nicht. Jetzt lautete sein Motiv Rache, und die würde er ganz langsam und mit Genuss an ihr vollziehen.
Die Vorstellung entlockte ihm ein hässliches Grinsen, gefolgt von einem lautstarken Fluch, denn das Grinsen hatte die Wunde an seiner Lippe wieder aufplatzen lassen. DiCarlo tupfte sich das Blut mit dem Handrücken ab und drehte sich wütend vom Spiegel weg. Dafür würde er sich an ihr rächen, das war gar keine Frage. Aber zunächst einmal musste er sich mit Finley befassen.
Dass er der Polizei aus dem Wege gehen konnte, das wusste er. Doch er war sich nicht sicher, ob er der langen Hand seines Arbeitgebers ausweichen konnte. Er musste mit Maß und Ziel arbeiten, mit praktischem Verstand und
Schmeicheleien, und – DiCarlo drückte den Eisbeutel an seine Lippe – auf sein Glück vertrauen.
Er würde Finley anbieten, einen zweiten Mann auf das Bild anzusetzen, den er – DiCarlo – bezahlen würde.
Mit Sicherheit käme das Finleys Geschäftssinn und seinem eingefleischten Geiz sehr entgegen.
Zufrieden ging DiCarlo ans Telefon. Je eher er in San Francisco fertig war, desto eher lag er in Mexiko am Strand.
»Ich möchte einen Flug von New York nach Los Angeles buchen. Erster Klasse. Den nächstmöglichen … Erst um Viertel vor sechs?« Er trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, rechnete. »Ja, gut, das ist mir recht … Nein, einfach. Und dann brauche ich noch einen Flug von L.A. nach Cancún, am ersten Januar.« Er zog eine Schublade auf und nahm seinen Pass heraus. »Ja, ich hoffe doch sehr, dass das Wetter dort besser sein wird.«
»Ich glaube, sein Gesicht war ein bisschen länger.« Dora beobachtete gespannt, wie sich das computergesteuerte Bild auf dem Monitor veränderte. »Ja, genau. Und auch etwas schmaler.« Unsicher schüttelte sie den Kopf und sah zu Jed hinüber. »Hatte er nicht dichtere Augenbrauen? Ich weiß nicht, irgendwie kriegt er immer mehr Ähnlichkeit mit Al Pacino.«
»Du machst das prima. Gehe noch einmal deine Erinnerungen durch, dann fügen wir meine dazu.«
»Gut.« Sie schloss die Augen und ließ das dunkle Bild noch einmal Revue passieren, doch die Angst und die Panik, die mit diesem Bild einhergingen, ließen sie ihre Augen gleich wieder öffnen. »Ich habe ihn nur ganz kurz gesehen. Er …« Sie griff nach dem Glas Eiswasser, um das sie gebeten hatte. »Ich glaube, er hatte noch volleres Haar, und vielleicht war es etwas mehr gelockt.«
»Mal sehen.« Der Operator versuchte es mit einer anderen Frisur. »Wie ist es jetzt?«
»Kommt der Sache schon näher. Seine Augen, die waren, glaube ich, etwas schwerer, sie wissen schon, schwerere Lider.«
»So etwa?«
»Ja, ich glaube …« Sie ließ einen Seufzer hören. »Ach, ich weiß nicht.«
Jed stellte sich hinter ihren Stuhl, legte seine Hände auf ihre Schultern und begann sie zu massieren. »Machen Sie die Lippen und die Nase etwas schmäler«, wies er den Operator an. »Die Augen waren tiefliegender. Ja, das ist es. Sie hatte Recht, mit den Augenbrauen, ein bisschen breiter. Noch breiter. Das Kinn etwas eckiger.«
»Wie machst du das bloß?«, wisperte Dora.
»Ich habe ihn einfach deutlicher gesehen, das ist alles.«
Nein, das war nicht alles, dachte sie. Bei weitem nicht. Er hatte dasselbe gesehen wie sie, das Bild aber bewusster aufgenommen, verarbeitet und gespeichert. Fasziniert beobachtete sie, wie das Konterfei ihres Angreifers auf dem Monitor Gestalt annahm.
»Und jetzt den Teint insgesamt etwas dunkler«, schlug Jed vor. Er fixierte das Bild äußerst konzentriert. »Bingo.«
»Das ist er!« Erschüttert griff Dora nach Jeds Hand. »Das ist er! Unglaublich.«
Brent tätschelte den Monitor wie ein stolzer Papa. »Eine absolute Wundermaschine ist das. Jed hat sich mächtig beim Boss ins Zeug legen müssen, damit wir den Kasten bekamen.«
Dora lächelte und zwang sich dazu, dem Computerbild in die Augen zu sehen. »Nintendo ist nichts dagegen.«
»Mach uns einen Ausdruck«, bat Brent den Operator. »Mal sehen, ob wir den Knaben in unserem schlauen Buch finden.«
»Ich hätte auch gern eine Kopie.« Erleichtert, dass sie es hinter sich hatte, stand Dora auf. »Ich
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