Träume wie Gold: Roman (German Edition)
Stück, an dem sie sich erfreute, erschien ihr noch bezaubernder und erlesener als das vorangegangene. Der Anblick dieser schönen Dinge überwältigte sie.
Sie betrachtete sich in einem George-III.-Spiegel, ließ ihre Fingerspitzen zärtlich über die Lehne eines Mahagoni-Sessels aus derselben Periode gleiten, stand begeistert vor einem japanischen Kakiemon-Tiger.
Als Finley sich zu ihr gesellte, bewunderte sie gerade eine Sammlung von Netsukes.
»Ich sehe, Sie finden Gefallen an meinem Spielzeug.«
»Oh, ja.« Mit vor Bewunderung glänzenden Augen wandte sie sich ihm zu. »Ich fühle mich wie Alice, die gerade den schönsten Winkel im Wunderland entdeckt hat.«
Er lachte und schenkte sich ein Glas Wein ein. Er hatte gewusst, dass er sie entzücken würde. »Ich war sicher, dass es mir Freude bereiten wird, meine Schätze mit Ihnen zu teilen. Zu meinem Leidwesen verbringe ich viel zu viel Zeit alleine damit.«
»Meine Reise hat sich wirklich gelohnt, Edmund.«
»Dann bin ich zufrieden.« Er trat neben sie und legte eine Hand auf ihren Rücken. Es war keine zweideutige Geste, deshalb wunderte Dora sich, warum sie eine Gänsehaut
bekam. »Sie haben sich gerade die Netsukes angesehen.« Er öffnete die Vitrine und wählte mit Absicht eines der Stücke aus, die in den Buchstützen ins Land geschmuggelt worden waren. »Nicht jeder weiß den Humor und die sensible Erotik sowie die erstklassige Handwerkskunst dieser Stücke zu schätzen.«
Kichernd nahm sie die kleine Figur des Liebespaares in die Hand. »Die beiden sehen so glücklich aus, für immer gefangen in dem erregenden Moment der Erwartung. Es fällt nicht leicht, sich dieses Kunstwerk am Gürtel eines unerschütterlichen Samurai vorzustellen.«
Finley deutete ein Lächeln an. »Für mich ist es genau der Platz, an dem ich sie mir am liebsten vorstelle, am Gürtel eines Kriegers, der sein Netsuke stets mit sich trägt, in der Schlacht wie auch im Bett. Ein Krieger aus der Tokugawa-Familie zum Beispiel. Es macht mir Spaß, jedem meiner Stücke eine eigene Geschichte zu geben. Finley legte die Figur zurück. »Sollen wir vor dem Dinner einen kleinen Besichtigungsrundgang machen?«
»Ja, bitte.« Bereitwillig nahm sie seinen Arm.
Er besaß ein ausgezeichnetes Sachwissen, war belesen und unterhaltsam, stellte Dora fest. Weshalb sie sich, kaum eine Stunde später, so unwohl fühlte, hätte sie nicht sagen können.
Er ließ eine habgierige Freude an seinem Besitz erkennen, doch diese Habgier konnte Dora sehr gut nachempfinden. Er war absolut korrekt in seinem Benehmen ihr gegenüber, und dennoch fühlte sie sich in zunehmendem Maße von ihm erniedrigt. Sie musste ihr ganzes Können einsetzen, um ihre vorgeschriebene Rolle zu spielen, während sie von einem Raum zum anderen schlenderten. Am Ende des Rundgangs wusste sie, dass man auch von den schönsten und wertvollsten Dingen zu viel besitzen kann.
»Das ist die Anstecknadel, die ich heute Nachmittag erwähnte.« Die Vorstellung, ihr die geschmuggelten Kunstschätze Stück für Stück zu präsentieren, versetzte ihn in einen Zustand euphorischer Erregung. Er reichte ihr die Saphirbrosche. »Der Stein an sich ist schon ein Traum, doch
die kunstvolle Fassung und auch die dazugehörige Geschichte geben diesem Stück erst seinen einzigartigen Wert.«
»Sie ist wunderschön.« Das war sie wirklich, mit dem kristallklaren blauen Stein, der von feinstem Goldfiligran und funkelnden Diamanten gehalten wurde – wunderschön und tragisch zugleich. Tragisch deshalb fand Dora, weil sie für immer in diese Vitrine verbannt war, nie wieder das Kleid einer Frau zieren oder sie zum Lächeln bringen würde, wenn sie sich damit schmückte.
Hierin unterschieden sie sich voneinander. Sie gab ihre Schätze weiter, ermöglichte ihnen ein neues Leben. Finley hingegen sperrte die seinen ein.
»Es heißt, sie gehörte einst einer Königin«, erklärte Finley, während er Doras Miene beobachtete und auf ein Zeichen des Erkennens wartete. »Man sagt, es handelte sich um Maria, die Königin von Schottland. Ich frage mich oft, ob sie sie wohl getragen hat, als sie wegen Hochverrats festgenommen wurde.«
»Ich stelle mir lieber andere Gelegenheiten vor, bei denen sie die Brosche getragen hat.«
»Und das hier.« Er griff nach dem Etui. »Das gehörte ebenfalls einer Königin, die ein trauriges Schicksal erwartete. Ein Geschenk Napoleons an Josephine, bevor er sich von ihr scheiden ließ. Sie konnte ihm keine Kinder
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