Traeume wie Samt
Stirn. »Wie bitte?«
»Ach, nur ein Scherz für Eingeweihte.«
Mit irritiertem Blick sah Olivia zur Arbeitszimmertür zurück. »Harry hat wieder eine seiner Stimmungen.«
»Er denkt wahrscheinlich nur nach. Kann ich Ihnen einen Tasse Tee machen?«
»Nein, danke. Harry hat einen Geschäftsanruf bekommen, als ich gerade gehen wollte. Er ist immer noch am Telefon.«
Molly wollte aufstehen. »Ich begleite Sie zur Tür.«
»Das wird nicht nötig sein.« Olivia lächelte kühl. »Ich kenne den Weg.«
»Da bin ich sicher.«
»Harry sagte, daß Sie beide heiraten werden.«
»Das ist richtig.« Molly schenkte Olivia ein gewinnendes Lächeln. »Ich plane übrigens eine große Hochzeit.«
»Tatsächlich?«
»Natürlich sind alle von beiden Seiten der Familie eingeladen.«
»Das könnte interessant werden.« Olivia zögerte. »Ich würde Ihnen gern eine persönliche Frage stellen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»In Ordnung. Ob ich Ihnen auch antworte, kann ich allerdings nicht versprechen.«
»Sind Sie sicher, daß Sie wissen, was Sie tun?«
»Ja, danke, das bin ich.«
Olivias Lippen wurden schmal. Sie sah erneut zur geschlossenen Arbeitszimmertür hinüber. »Ich sollte Ihnen wohl besser nichts davon sagen, aber nach meiner beruflichen Einschätzung leidet Harry unter ernsten Problemen. Er sollte sich in Therapie begeben.«
»Harry ist anders, soviel kann ich dazu sagen. Aber ich glaube nicht, daß ein Psychiater gut für ihn wäre.«
»Es tut mir leid, aber ich kenne ihn sehr viel besser als Sie. Und ich glaube, es ist ein Fehler, wenn er heiratet. Jede Ehe, die Harry eingeht, ist zum Scheitern verurteilt.«
»Sind Sie verrückt?«
Olivia starrte sie kalt an. »Ihnen ist klar, daß ich klinische Psychologin bin, oder?«
»Harry hat es mir gesagt. Ich habe großen Respekt vor ihrer beruflichen Kompetenz, Olivia. Aber ich glaube nicht, daß Sie Harry sehr gut verstehen. Er ist ziemlich einmalig.«
»Es ist dysfunktional, nicht einmalig«, schnappte Olivia. »Sehr wahrscheinlich leidet er an einer posttraumatischen Belastungsstörung und periodisch auftretenden depressiven Schüben. Um ganz offen zu sprechen: Er ist ein Kandidat für medikamentöse Behandlung.«
»Ein Kandidat für medikamentöse Behandlung?« Molly kräuselte die Nase. »Ich glaube nicht, daß er an dieser Stellung interessiert ist.«
»Ich scherze nicht, Molly. Es handelt sich um eine ernste Angelegenheit. Einen Mann mit Harrys Problemen zu heiraten kann ich Ihnen nicht raten.«
»Beruhigen Sie sich. Sie sind schließlich vom Haken. Und ich frage Sie nicht um Rat.«
Olivia sah sie düster und mit offensichtlicher Frustration an. »Sehen Sie, ich will ganz offen sein. Sie und Harry kennen sich noch nicht sehr lange. Ihre Verbindung befindet sich in der Anfangsphase. Ich denke, Sie sollten wissen, daß Harry früher oder später in seiner sexuellen Beziehung zu Ihnen klinisch signifikante Abnormitäten zeigen wird.«
Molly hob die Hand. »Hören Sie auf. Ich bin nicht eine Ihrer Patientinnen. Und ich beabsichtige nicht, mit Ihnen über mein Sexualleben zu diskutieren.«
»Ich versuche nur, Sie vor einem furchtbaren Fehler zu bewahren.«
»Sie müssen sich nicht bemühen, mich vor Harry zu retten.«
Olivia verengte die Augen. »Ihnen ist klar, daß er nichts vom Vermögen der Strattons erben wird? Er hat sich mit seinem Großvater überworfen und wird keinen Cent sehen.«
»Geld hat nichts damit zu tun. Guten Abend, Olivia.«
»Entweder sind Sie sehr naiv oder sehr dumm.«
Molly lächelte. »Sie meinen, ich hätte die Wahl?«
Olivia fuhr auf dem Absatz herum und ging mit schnellen Schritten durch die Halle zum Eingang. Wortlos und ohne Verabschiedung verließ sie die Wohnung. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß.
Molly sah Harry mit verschränkten Armen im Türrahmen seines Arbeitszimmers lehnen. Nachdenklich sah er Olivia hinterher. Dann begegnete er Mollys Blick.
»Klinisch signifikante Abnormitäten?« wiederholte er langsam.
»Du hast es gehört?«
»Nur den letzten Teil. Hat sie dir ihre komplette Diagnose mitgeteilt?«
»Ja, aber ich würde nicht zuviel auf ihre Theorien geben, wenn ich du wäre. Sie ist eine etwas verwirrte Person. Wahrscheinlich ist sie vor allem deshalb Psychologin geworden, weil sie nach Antworten für ihre eigenen Probleme gesucht hat.«
Harrys Mund verzog sich unmerklich. »Ich verstehe.«
»Was nicht heißen soll, daß ein guter Therapeut nicht helfen kann«, fuhr Molly fort. »Aber man
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