Traeume wie Samt
finanziellen Aspekt seiner Arbeit zurecht.«
»Wie wahr.« Venicia seufzte. »Weder Jasper noch mein Ehemann waren in solchen Dingen belastbar. Jasper war schlimmer als Julius, um die Wahrheit zu sagen. Er bekam mehr als einmal Ärger mit den Banken, nicht wahr, Molly?«
»Allerdings.« Molly konzentrierte sich auf ihr scharf gewürztes thailändisches Nudelgericht. Sie mochte es nicht, wenn Jaspers deprimierende Geldangelegenheiten außerhalb der Familie besprochen wurden. Auch wenn Cutter Latteridge bald ein Mitglied des Abberwick-Clans sein würde, hatte er den Übergang doch noch nicht vollzogen.
»Ich glaube, ohne Molly hätte Jaspers Familie nach Samanthas Tod von den Essensmarken der Wohlfahrt leben müssen«, sagte Venicia zu Cutter. »Das arme Mädchen mußte die Universität verlassen, um arbeiten zu gehen, damit die Familie das Dach über dem Kopf behielt.«
»Am Ende hat Dad das alles mehr als wiedergutgemacht«, erinnerte Molly ihre Tante ruhig. »Die Patente, die er für seine Industrierobotersysteme erhielt, garantieren uns über Jahre ein beträchtliches, regelmäßiges Einkommen.«
»Aber für dich kam das Geld zu spät, meine Liebe«, bemerkte Venicia wehmütig. »Du hattest bereits Erfolg mit dem Tee- und Gewürzgeschäft, als die Tantiemen zu fließen begannen.«
Molly zuckte die Schultern. »Das hängt von der Betrachtungsweise ab. So blieb mir die Befriedigung, durch eigene Arbeit zum Erfolg zu gelangen.«
»Eine ausgezeichnete Einstellung.« Cutter schenkte ihr einen anerkennenden Blick. »Und Sie sind gut beraten, wenn Sie das Einkommen aus diesen Patenten nicht leichtfertig verschwenden. Ich bin sicher, daß Jasper Abberwick erfreut darüber wäre, wieviel Geld Sie in seine Stiftung geleitet haben.«
»Sie hat genau das getan, was Jasper gewollt hätte«, sagte Venicia stolz. »Der Himmel weiß, sie ist sehr großzügig zu mir gewesen. Und für Kelsey sorgt sie ausgezeichnet. Der Stiftung ist immer noch genügend geblieben.«
Cutter setzte einen gravitätischen Gesichtsausdruck auf. »Ein wirklich wichtiges Werk. Es gibt nie genug Geld für Erfindungen, so traurig das klingt. Selbst auf der Unternehmensebene fehlen immer wieder Mittel für Forschung und Entwicklung. Dieses Land muß mehr in erfinderische Köpfe investieren, wenn es auf dem Weltmarkt erfolgreich bleiben will.«
Molly blendete Cutter höflich aus wie so oft. Sie hatte nichts gegen den Verlobten ihrer Tante. Man mußte ihn einfach mögen. Er war ein umgänglicher Mann, der gern den Gastgeber spielte. Venicia gegenüber verhielt er sich galant. Er umsorgte sie liebevoll. Aber er besaß die Neigung, sich bei Gesprächen wichtigtuerisch zu gebärden. Seltsam, daß es ihr nichts ausmachte, wenn Harry zu dozieren begann, dachte Molly amüsiert. Zugegeben, manchmal strapazierte er ihre Geduld, aber ein Langweiler war er nie. Selbst als sie in ihrer Küche gesessen und ihm zugesehen hatte, wie er den schwarzen Kasten mit der Schreckschußpistole in seine Einzelheiten zerlegt hatte, war ihr alles andere als langweilig gewesen. Cutter war aus einem anderen Holz geschnitzt. Vor seiner Pensionierung hatte er als leitender Angestellter in einer Ingenieurfirma gearbeitet. Er neigte dazu, sich über jedes Thema auszulassen, von dem gerade die Rede war, und betrachtete sich als Experte für alles. Mit Ende Fünfzig war er ein oder zwei Jahre älter als Venicia. Sein Haar lichtete sich schon beträchtlich, und mit seinen derben Zügen und den roten Wangen sah er aus wie ein Mann, der seine Kindheit auf einer Farm verbracht hatte.
Einmal hatte Molly ihn gefragt, warum er sich so früh zur Ruhe gesetzt habe. Er hatte mit einem freundlichen Lächeln geantwortet und erklärt, er habe von Verwandten etwas Geld geerbt. Außerdem habe er von einem großzügigen Frühpensionierungsplan der Firma profitiert. Das Leben sei kurz, hatte er gesagt. Er wolle es genießen, solange er noch relativ jung und bei guter Gesundheit sei.
Nachdem Venicia ihn im Frühling auf einer Kreuzfahrt kennengelernt hatte, waren sie unzertrennlich geworden. Vor einem Monat hatten sie die Verlobung verkündet.
»… stimmen mir nicht zu, Molly?« fragte Cutter.
In seiner Stimme lag ein besorgter Unterton, der Mollys Aufmerksamkeit zurückbrachte. Sie schenkte Cutter ein entschuldigendes Lächeln. »Tut mir leid. Das habe ich nicht mitbekommen. Wie lautete Ihre Frage?«
»Ich fragte«, wiederholte Cutter geduldig, »ob Sie es nicht ein wenig seltsam finden, daß
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