Traeume wie Samt
Redensart.«
»Tut mir leid.« Harry schwieg einen Augenblick. »Von meiner Exverlobten kenne ich ähnliche Bemerkungen über meine Ausdrucksweise. Sie sagte, meine Art zu reden mache sie nervös.«
»Sehe ich nervös aus?«
Harry betrachtete Molly eingehend. »Nein.«
»Merke dir ein für allemal, Harry: Ich bin nicht deine Exverlobte.«
Er stutzte. Dann lächelte er. »Keine Sorge. Ich werde dich nie mit Olivia verwechseln.«
Seine bernsteingoldenen Augen waren so warm, daß Molly die Hitze darin beinahe spüren konnte. Sie räusperte sich und kam zum Thema zurück. »Also gut, reden wir weiter. Ich bin nicht sicher, ob mir dein Plan gefällt, Wharton Kendall zu stellen. Was genau hast du vor?«
»Ihm einen Besuch abstatten und ein kleines Gespräch über seine lästigen Streiche führen.«
Molly schob die Lippen vor. »Wahrscheinlich wird er alles ableugnen.«
»Ich beabsichtige nicht, ihm die geringste Gelegenheit dazu zu geben. Ich werde ihn überzeugen, daß ich alle Beweise für seine Täterschaft besitze und zur Polizei gehe, wenn er noch einmal etwas unternimmt.«
»Mit anderen Worten, du willst ihn einschüchtern?«
»Ja.«
Molly dachte nach. »Glaubst du, daß es dir gelingen wird?«
Harry sah von der Zeichnung auf. Aus seinem Blick war jede Wärme verschwunden. »Ja.«
Molly wurde sich der plötzlichen Kälte im Raum bewußt. Instinktiv hob sie die Hand, um ihren Bademantel zusammenzuziehen. »Ich komme mit.«
»Nein, das wirst du nicht tun.« Harry wandte sich wieder dem Studium der Zeichnung zu.
Molly ließ den Bademantel los. Sie stemmte die Hände auf den Schreibtisch, und ihre Augen wurden schmal. »Du bist kein einsamer Wolf, Dr. Trevelyan. Du arbeitest für die Abberwick-Stiftung und erhältst Anweisungen von mir. Wenn du Wharton Kendall besuchst, werde ich dich begleiten. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Harry sah wieder von Kendalls Zeichnung auf. Er betrachtete Molly lange und eingehend, bis sein Mundwinkel zuckte. »Klar genug.«
Molly richtete sich auf. »Gut.«
»Es gibt nur ein kleines Problem.«
»Und welches?«
»Kendall zu finden könnte etwas Zeit kosten.« Harry wies auf das Deckblatt des Antrags. »Es ist keine Telefonnummer angegeben. Er hat nur eine Postfachadresse genannt, und zwar in einem Ort namens Icy Crest.«
»Wo ist das?«
»Keine Ahnung. Zuerst müssen wir die Stadt finden, dann Kendall. Es wird sicher einen ganzen Tag dauern, bis wir seine Spur haben und ihn aufsuchen können. Sicher willst du keinen Arbeitstag verlieren. Ich weiß doch, wie wichtig dir dein Geschäft ist.«
»O nein«, sagte Molly entschieden. »So leicht wirst du mich nicht los. Ich kann Tessa den Laden gut für einen Tag überlassen.«
»Bist du sicher?«
»Absolut und unbedingt, Dr. Trevelyan.«
»Habe ich dir jemals gesagt, daß ich es nicht mag, Dr. Trevelyan genannt zu werden?«
»Nein.« Molly verzog das Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Aber ich habe schon vor Wochen selbst herausgefunden, daß es dich ärgert.«
Es stellte sich heraus, daß Icy Crest nicht viel mehr als ein Punkt auf der Landkarte war. Der Ort lag tief in den Cascade Mountains, am Ende einer engen, kurvenreichen Straße ohne große Ausweichmöglichkeiten, einige Meilen von der Interstate 90 entfernt, die den östlichen mit dem westlichen Teil des Staates Washington verband.
Molly betrachtete die unansehnliche, kleine Häuseransammlung durch die Windschutzscheibe von Harrys schnittigem Wagen und fragte sich, woher das tiefe Unbehagen stammen mochte, das sie plötzlich überfiel. Der Bergort bot einen Anblick wie alle kleinen Siedlungen auf dem Land. Es gab eine Tankstelle, einen heruntergekommenen Krämerladen, der sich Pete’s nannte, ein Café und ein Gasthaus. In dem schmutzigen Ladenfenster wies ein kleines Schild darauf hin, daß sich das Postamt ebenfalls dort befand. Eine Handvoll Männer in abgenutzten Jeans, Stiefeln und Baseballmützen lungerten vor dem Lebensmittelgeschäft herum. Wie Molly feststellte, trugen die Mützen bunte Logos verschiedener Firmen für Landwirtschaftsbedarf.
Als Harry den Wagen parkte und den Zündschlüssel herumdrehte, verfolgten mißtrauische Blicke jede Bewegung.
»Etwas sagt mir, daß die Sache nicht so einfach sein könnte, wie es aussah«, bemerkte Molly.
Harry beobachtete die lässig herumstehenden Männer vor dem Laden. »Was vermittelt dir diesen Eindruck?«
»Ich bin nicht sicher. Vielleicht die Mützen.« Molly nagte an ihrer Unterlippe.
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