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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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Näherkommen gespürt haben. Er saß hinter seinem Schreibtisch und blickte Molly wartend entgegen, in einen dunkelgrauen Frotteemantel gehüllt. Das helle Licht der Halogenlampe warf scharfe Schatten und ließ seine tief eingegrabenen Züge noch kantiger erscheinen. Sein beinahe schwarzes Haar war vom Schlaf zerzaust. Die bernsteinfarbenen Augen glühten wie bei einem Raubtier, das im Begriff war, seine Klauen in die Beute zu schlagen.
    Molly wußte sofort, was geschehen war. »Du hast den gesuchten Antrag gefunden?«
    »Vor ungefähr drei Minuten. Sieh her.«
    Molly trat zum Schreibtisch und sah auf die Unterlagen, die vor Harry ausgebreitet lagen. »An dieses Projekt erinnere ich mich.« Sie neigte den Kopf, um den Titel zu lesen. »›Vorschlag für die Konstruktion einer Apparatur zur Messung paranormaler Hirnströme‹, von Wharton Kendall. Mir gefiel die Idee. Aber du hast dagegen gestimmt. Genau wie bei allen anderen Plänen.«
    »Paranormale Gehirnströme? Ich bitte dich.« Harry warf ihr einen angewiderten Blick zu. »Kendall gehört zu den Erfindern, die den Ruf seriöser Kollegen gefährden. Ein ausgemachter Spinner. Kein fundierter naturwissenschaftlicher Hintergrund. Keine solide technische Ausbildung. Keine Originalität oder echte Eingebung. Und vor allem glaubt er an paranormalen Schwachsinn. An den Kerl hätte ich mich gleich erinnern sollen.«
    »Hm.« Molly klopfte nachdenklich mit dem Finger auf den Tisch. »Warum glaubst du, daß Kendall der Urheber dieser lästigen Streiche ist?«
    Harry drehte den Antrag auf ein Stipendium um, damit Molly eines der Diagramme sehen konnte. »Schau dir seine Zeichnung für den Antriebsmechanismus dieses verrückten Hirnstrommeßgerätes an.«
    Molly betrachtete die Zeichnung einer komplizierten Maschine, die aus unzähligen, auf eine Bauplatte montierten Kabeln und elektronischen Schalttafeln bestand. »Und?«
    »Alles fauler Zauber, auch ohne die pseudowissenschaftliche Grundlage des Projekts. Die Konstruktion ist plump, ideenlos und ohne jede Originalität. Das Ding wirkt zusammengestümpert wie die Schreckschußpistole und die Gespensterpuppe. Und dieser Antriebsmechanismus ist unser unumstößlicher Beweis.« Harry wies auf einen kleinen Ausschnitt der Zeichnung. »Kendall ist unser Mann, ganz sicher.«
    »Ich bin überrascht, daß du dich an solch winzige Einzelheiten erinnerst, Harry. Diesen Antrag habe ich dir gleich am Anfang gezeigt, und ich erinnere mich, daß du ihn kaum zehn Sekunden angesehen hast.«
    »Neun Sekunden mehr, als er verdient hat.« Harry verzog den Mund. »Aber zu dem Zeitpunkt war unsere Geschäftsverbindung noch neu, und ich habe versucht, meine Rolle als Berater höflich zu spielen. Mir war noch nicht klar, daß wir jeden einzelnen Antrag ohne Rücksicht auf seine Abwegigkeit noch einmal gemeinsam durchgehen würden.«
    »Du meinst, bevor mir klar wurde, wie stur und wählerisch du sein würdest?«
    »So ähnlich.« Harry lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete Molly mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. »Nun stellt sich die Frage, was wir wegen Kendall unternehmen. Mein Beweis wird die Polizei kaum überzeugen.«
    Neugierig musterte Molly ihn. »Sprechen wir über eine Schlußfolgerung, die du aufgrund deiner berühmten Intuition triffst?«
    »Wir sprechen über eine meiner Einsichten, die mir aufgrund jahrelanger Erfahrung und geübter Beobachtung möglich ist«, entgegnete Harry reserviert.
    »Ist dir aufgefallen, daß du richtig biestig wirst, wenn sich das Gespräch dem Thema Intuition oder übersinnlichen Erscheinungen zuwendet?«
    »Bei solchem Unsinn versagt meine Geduld.«
    Molly lächelte. »Während du bei allem anderen geduldig genug bist.«
    »Jeder hat seine Grenzen.«
    »Ich verstehe. Nun gut, selbst wenn es überzeugende Beweise gibt, die gegen Kendall sprechen, können wir ihm weder versuchten Mord noch schwere Körperverletzung vorwerfen. Ich bezweifle, daß die Polizei viel mehr tun könnte, als ihn zu verwarnen.«
    »Das kann ich selbst machen«, sagte Harry sehr leise.
    Molly erschrak. »Nein, Harry …«
    Er nahm die Zeichnung und betrachtete sie eingehend. »Ich frage mich, ob Kendall noch unter dieser Adresse zu erreichen ist. Der Name der Stadt ist mir fremd.«
    »Der Blick in deinen Augen gefällt mir nicht.«
    Als Harry blitzartig den Kopf hob, wich Molly einen Schritt zurück.
    Er sah sie durchdringend an. »Welcher Blick?«
    Molly streckte die Hände aus. »Beruhige dich. Es war nur eine

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