Traeume, zart wie Seide
Frankie. „Und deine Skizzen haben ihr gefallen.“
Nachdenklich strich Joy mit den Fingerspitzen über das oberste Blatt.
„Wann holt Tom dich ab?“, fragte Frankie.
„Was? Ach so, um sieben. Und danke, dass du für mich auf Grand-Em aufpasst.“
„Ist doch selbstverständlich. Du bist schon so lange nicht mehr rausgekommen, und Tom ist …“
„Ein wirklich netter Kerl, ich weiß. Das hast du vorher schon mal erwähnt.“
„Brauchst mich ja nicht gleich anzuspringen“, bemerkte Frankie lächelnd. „Was ist denn los, bist du etwa aufgeregt, weil du ein Date hast?“
„Nein, nicht dass ich wüsste. Jetzt lass uns endlich nach oben gehen und das Kleid ausziehen, okay? Sonst sieht Nate es nachher noch vor der Hochzeit.“
„Bist du sicher, dass du nicht doch ein bisschen nervös bist wegen heute Abend? Du hattest schon lange keine Verabredung mehr.“
„Danke, dass du mich dran erinnerst.“ Joy verzog das Gesicht, weil ihr Ton schärfer ausfiel als beabsichtigt. Normalerweise stritt sie sich nie mit Frankie, aber der Gedanke an Tom machte sie gereizt.
Wahrscheinlich lag es daran, dass sie lieber mit einem anderen ausgegangen wäre und sich deshalb mies vorkam. Und wieso konnte ausgerechnet sie nicht den Mann haben, den sie wirklich wollte?
Aber all das war schließlich nicht Frankies Schuld. „Tut mir leid, Schwesterherz, war nicht so gemeint. Ich bin eben nur ein bisschen nervös“
„Schon gut. Ich wünsche mir nur, dass du so glücklich wirst wie ich.“
Joy nahm ihre Hand. „Nate ist ein toller Mann, und er liebt dich wirklich“, sagte sie warm. „Aber vielleicht bin ich für eine solche Beziehung nicht geschaffen. Und das ist dann auch okay. Mach dir keine Gedanken, ja? Und jetzt raus aus dem Kleid.“
Leider glaubte Joy selbst nicht an das, was sie da behauptete. Trotzdem hatte Frankie recht. Selbst wenn Tom nicht der Richtige für sie war, konnte es nicht schaden, mal wieder aus dem Haus zu kommen.
Als am Abend Toms Pick-up-Truck auf der Einfahrt zu hören war, ging sie hinunter, verabschiedete sich von Frankie und Nate und trat vors Haus. Tom stieg aus und öffnete ihr die Beifahrertür. Er musste gerade geduscht haben, denn sein Haar war noch etwas feucht, und er trug ein frisch gebügeltes Hemd und ebenso faltenfreie Kakihosen. Allerdings merkte man deutlich, dass er sich in den Sachen nicht besonders wohlfühlte.
„Was hältst du davon, in die Stadt zu fahren?“, fragte er beim Losfahren. „Dort findet heute Abend ein Grillfest mit Tanz statt.“
„Das klingt gut.“
Als er auf die Seestraße einbog, warf er Joy einen Seitenblick zu. „Du siehst wirklich hübsch aus.“
Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Die Luft im Auto roch nach Tanne, als hätte er den Wagen extra für sie geputzt.
„Danke, Tom“, antwortete sie artig.
Gray parkte den BMW vor einem der Läden an der Hauptstraße. Das Stadtzentrum von Saranac Lake bildete ein großer Rasenplatz, um den herum die Geschäfte gruppiert waren. Heute standen in der Mitte einige weiße Zelte, und im Konzertpavillon spielte eine Swingband Count-Basie-Hits. Auf der eigens aufgebauten Tanzfläche drehten sich bereits einige Paare, während andere an den Biertischen saßen und sich Spareribs und Steaks schmecken ließen, die auf großen Schwenkgrills zubereitet wurden.
„Findest so was hier öfter statt?“, fragte Cassandra, als sie auf den Park zugingen.
„Im Sommer einmal im Monat. Ist bestimmt eins der letzten Male, die Saison ist ja bald zu Ende.“
„Wann fährst du zurück nach Washington?“
„Ziemlich bald. Nächste Woche muss ich erst mal nach New York, und dann werde ich Papas Umzug organisieren. Er kann nicht allein mit Libby hier im Haus bleiben.“
„Unterrichtest du wieder an der Columbia University in New York?“
„Ja, sie haben mich für dieses politische Seminar angefragt.“
„Das ist doch toll, dann können wir mal gemeinsam essen gehen“, sagte Cassandra. „Vielleicht kommen Allison und Roger auch mit.“
„Klingt gut“, erwiderte Gray nicht sehr überzeugt. Er konnte noch immer nicht glauben, dass Roger seine Frau mit einer Reporterin betrog, und hoffte, dass sich die ganze Geschichte als Missverständnis oder glatte Lüge herausstellen würde.
Als sie im Park angekommen waren, blieb Cassandra vor der Tanzfläche stehen und beobachtete die Paare.
„Möchtest du erst was essen oder gleich das Tanzbein schwingen?“, fragte Gray.
Er sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass
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