Traeume, zart wie Seide
davonlaufen.
Kluges Kerlchen, dachte Gray.
Auch Cassandra schien Grays unterschwellige Aggression zu spüren, denn sie warf im Plauderton ein: „Wir haben euch gerade beim Tanzen bewundert.“
„Tom tanzt viel besser als ich“, erwiderte Joy und lächelte Tom zu. „Aber er hat mir schon einiges beigebracht.“
„Und sie lernt schnell“, warf Tom ein.
Du hast kein Recht, eifersüchtig zu sein, versuchte Gray sich zu beruhigen. Irgendwie schaffte er es, sich zu beherrschen, bis die beiden sich endlich verabschiedeten und in Richtung der Grillstände gingen. Er griff nach seinen nun abgekühlten Rippchen und biss herzhaft hinein, um nicht laut mit den Zähnen zu knirschen.
„Wenn sie gar nicht dein Typ ist, warum schaust du sie dann so an, als wolltest du sie auf der Stelle vernaschen?“, wollte Cassandra wissen.
„Weil ich ein Idiot bin“, erwiderte er schlicht. „Möchtest du noch was essen? Ich hole mir noch eine Portion.“
„Wo hast du so tanzen gelernt?“, fragte Joy, als sie und Tom sich mit ihren Papptellern an einen freien Tisch setzten. Die Band machte gerade Pause, sodass man sich in normaler Lautstärke unterhalten konnte.
„Ich habe Tanzstunden genommen, als ich noch in Albany gewohnt habe. Meine frühere Freundin hat mich mehr oder weniger dazu gezwungen, aber dann hat es mir großen Spaß gemacht.“
„Du bist ein toller Tänzer.“
„Danke.“
Beim Essen schaute Joy zu dem Tisch hinüber, an dem Gray und Cassandra saßen. Gray stand gerade auf und ging mit seinem leeren Teller zum Grillstand. Da er so groß war, stach er deutlich aus der Menge heraus.
Wieso hatte er sie heute Abend so finster angestarrt? Sicher, er wirkte immer ein wenig distanziert, aber diesmal war es ihr besonders aufgefallen.
„Ich freue mich, dass du mit mir ausgehen wolltest“, sagte Tom.
Joy wandte ihm den Kopf zu, doch er schaute sie nicht an, sondern stocherte in seinem Essen herum.
Sie holte tief Luft. „Tom, ich …“
„Du brauchst es nicht zu sagen, Joy, ich weiß. Nur Freunde.“ Er lächelte, aber er schaute sie noch immer nicht an. „Das ist okay, mach dir keine Gedanken. Wir hatten Spaß heute Abend.“
„Ich hatte aber ehrlich gehofft …“
„Ich auch.“ Jetzt hob er doch den Blick. „Aber du musst dir wirklich keine Sorgen machen, dass ich mich jetzt anders verhalte oder so. Wenn wir uns im White Caps sehen, ist alles wie vorher.“
„Ach, Tom, ich glaube, du bist der netteste Mann auf der ganzen Welt.“
„Kann sein, aber behalt das bitte für dich. Die Frauen scheinen mehr auf die harten Typen zu stehen.“
„Das hab ich auch nie verstanden“, murmelte sie, während sie Gray beobachtete, der mit einem vollen Teller zurückkam.
Tom wischte sich die Hände an der Serviette ab. „Das ist wohl ein Naturgesetz“, meinte er. „Frauen fühlen sich von Macht und Stärke angezogen. Deshalb magst du ihn so sehr.“
Erschrocken riss sie die Augen auf.
„Na komm, es ist offensichtlich – und es beruht auf Gegenseitigkeit. Als wir vorher an ihrem Tisch waren, hätte dieser Bennett mich am liebsten in der Luft zerrissen. Aber sei vorsichtig, ja? Unter seiner zivilisierten Schale wirkt der Mann irgendwie gefährlich.“
Wieder schaute Joy zu Cassandra und Gray hinüber. Sie sprachen gerade mit zwei Neuankömmlingen, und Cassandra nickte, stand auf und kam direkt auf ihren Tisch zu. Gray folgte ihr eher widerwillig.
„Noch mal hallo“, sagte Cassandra. „Dürften wir uns zu euch gesellen? An unserem Tisch ist der Rest der Familie eingetroffen, und ich fände es nett, mit jemandem zusammenzusitzen, den wir kennen.“
„Natürlich“, stotterte Joy.
Gray setzte sich neben Tom, dem er zunickte, bevor er weiteraß.
Cassandra lächelte Joy zu. „Ich habe den ganzen Nachmittag über Ihre Designs nachgedacht. Sie sind wirklich gut.“
„Was für Designs?“, erkundigte sich Gray.
Als Joy schwieg, antwortete Cassandra an ihrer Stelle. „Kleider. Sie entwirft Kleider. Abendkleider, um genau zu sein. Und sie sind wundervoll.“
„Das wusste ich gar nicht.“
„Ach, das ist nur ein Zeitvertreib“, murmelte Joy.
„Nehmen Sie eigentlich Aufträge an?“, fragte Cassandra.
„Aufträge?“
„Wenn ich Sie bitten würde, für mich ein Kleid zu entwerfen, würden Sie’s tun?“
Entgeistert starrte Joy sie an. „Aber warum sollten Sie?“
„Weil Sie gut sind.“
„Aber die Designer, die Sie sich leisten können, sind viel besser.“
Achselzuckend zog Cassandra
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