Traeume, zart wie Seide
begann zu strahlen. „Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich.“
Hinter ihnen schlug eine Standuhr.
„Es ist schon sechs“, bemerkte Cassandra. „Gray wird dich bald abholen, und du willst dich sicher umziehen. Du hast ja ein eigenes Bad, also fühl dich wie zu Hause.“
Langsam sammelte Joy ihre Skizzen ein, und ihre Selbstsicherheit verschwand. Beim Gedanken an ein Abendessen mit Gray fühlte sie sich wieder klein und unerfahren. Sie sah sich in dem riesigen Wohnzimmer um, das wohl eher die Bezeichnung Salon verdiente. Ölbilder, Stilmöbel, flauschige Teppiche und schwere Gardinen. Es trennten sie Welten von Cassandra.
„Joy?“
„Hmmm?“
„Gray und ich sind kein Paar, nur gute Freunde.“
Erschrocken blickte Joy auf. „Das geht mich nun wirklich nichts an.“
„Schon möglich, aber ich dachte, es würde dich vielleicht trotzdem interessieren. Gray war einer meiner ersten Kunden, als ich mein Architekturbüro eröffnet habe, und es hat sich eine sehr schöne Freundschaft daraus entwickelt. Darf ich dich was fragen?“
Achselzuckend sammelte Joy ihre Sachen zusammen, war aber froh, als ihr Radierer zu Boden fiel und sie den Kopf unter den Tisch stecken konnte.
„Wie lange bist du schon an Gray interessiert?“
Joy erstarrte. Am besten schlug sie sich beim Hochkommen einfach den Kopf am Tisch an und wurde bewusstlos, dann brauchte sie diese peinliche Frage nicht zu beantworten.
„Tut mir leid“, fuhr Cassandra fort. „Ich bin manchmal vielleicht etwas zu direkt.“
„Das macht mir nichts aus“, erwiderte Joy und richtete sich langsam wieder auf. „Aber wenn ich ehrlich bin, rede ich nicht gerne über ihn.“
„Das verstehe ich.“ Nach kurzer Pause lächelte Cassandra wieder. „Aber ich darf doch fragen, was du heute Abend anziehen willst, oder?“
„Das weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht. Ich habe nichts wirklich Schickes mitgebracht, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass ich ausgehe.“
„Warum leihst du dir nicht einfach was von mir?“, fragte Cassandra ganz selbstverständlich, und Joy fragte sich, warum ihre Augen dabei so verschwörerisch funkelten.
Gray trat aus dem Aufzug und schaute den Flur entlang zu Cassandras Tür. Sein Seminar hatte wie immer Spaß gemacht, doch der Rest des Tages war eher unerfreulich gewesen. Er hatte versucht, mehr über Rogers angebliche Affäre mit dieser Reporterin zu erfahren, und im Stillen gehofft, dass sich Beckins Quelle als unzuverlässig herausstellte. Leider vergeblich, denn die Fakten sprachen tatsächlich für sich. Das bedeutete natürlich noch nicht, dass Adam tatsächlich seine Frau betrog oder Interna ausplauderte, aber es sah wirklich nicht gut aus.
Er strich sich durchs Haar und klingelte, die Tür ging auf … und eine völlig neue Joy Moorehouse stand vor ihm.
Gray merkte selbst, dass er sie viel zu lange anstarrte, aber er konnte den Blick nicht abwenden.
Sie trug ein tief ausgeschnittenes schwarzes Kleid, das ihre wunderbaren Kurven mehr betonte als verhüllte. Es war so gut wie unmöglich, unter der zarten schwarzen Seide einen BH zu tragen – er bräuchte nur mit der Fingerspitze ganz leicht am Ausschnitt entlangzustreichen, um den verführerisch dünnen Stoff zur Seite zu schieben und Joys Brustspitzen mit den Lippen zu liebkosen …
Das Haar trug sie offen. Es fiel ihr in weichen Wellen über den Rücken, und er stellte sich vor, wie er sein Gesicht darin verbarg. Er wollte sie, wollte sie berühren, schmecken, jede Stelle ihres Körpers erkunden, besitzen.
Verlegen räusperte er sich und knöpfte eilig sein Jackett zu, um sich weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Joy war rot geworden und sah ihn verunsichert an.
„Wollen wir?“, fragte er und hoffte, dass sie nicht noch einmal in die Wohnung zurückkehren musste. Da sie selbst geöffnet hatte, waren Cassandra und das Hausmädchen wohl nicht da. Wenn er die Wohnung betrat, würde er mit Joy allein sein. Ganz allein. Keine gute Idee.
„Ja, ich bin so weit“, sagte Joy und zupfte nervös an ihrem Ausschnitt, als wäre sie nicht ganz glücklich mit dem Kleid.
Warum sollte es ihr besser gehen als ihm?
Sie nahm eine Abendtasche vom Ablagetisch und ging an ihm vorbei in den Flur. Ihr Parfum machte ihn ganz verrückt – ganz zu schweigen von den hohen Stilettoabsätzen, die sie trug.
Als er ihr zum Aufzug folgte, hätte er ihr beinahe die Hand in den Rücken gelegt, zog sie aber im letzten Moment zurück. Nein, besser, er berührte sie nicht.
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