Traeume, zart wie Seide
Wenn er erst einmal damit anfing, könnte er vermutlich nicht mehr aufhören.
„Wohin gehen wir?“, fragte sie.
Konzentriert betrachtete er die blinkende Anzeige über der Tür.
„Zum Kongress.“
„Was?“
„Das ist ein privater Klub hier in der Stadt. Der Congress Club.“
„Oh. Bin ich dafür richtig angezogen?“
Gray verschluckte die Worte, die er eigentlich sagen wollte. „Ja, ist schon okay.“
Als der Aufzug in der Lobby hielt und sie an ihm vorbeiging, hätte er sie am liebsten wieder hineingezogen. Aber er musste sich zusammennehmen. Diese Frau gehörte einem anderen. Und wenn auch die meisten Frauen, die er kannte, kein Problem damit hatten, ihre Männer zu betrügen – Joy Moorehouse würde so etwas nie tun.
Vielleicht war das Kleid doch keine so gute Idee, dachte Joy, als sie sich auf dem Rücksitz der Limousine niederließ.
Ist schon okay. Wenn das kein überschäumendes Kompliment war!
Seit Gray sie an der Tür so angestarrt hatte, führte er sich äußerst wortkarg auf. Wusste er, dass sie die Rolle der weltgewandten jungen Frau nur spielte, und störte ihn das? Sie hätte besser ihre alten schwarzen Hosen und einen schlichten Pullover anziehen sollen, dann hätte sie sich wenigstens wie sie selbst gefühlt.
Gray saß neben ihr hinter dem Chauffeur und starrte stirnrunzelnd aus dem Fenster, als wäre er ärgerlich.
„Vielleicht war das doch keine so gute Idee“, sprach Joy ihre Gedanken aus.
Er drehte sich zu ihr um. „Bist du müde?“
„Nein. Aber du hast sicher Wichtigeres zu tun. Wir müssen nicht zusammen essen. Ich kann auch allein ausgehen. Warum trennen wir uns nicht einfach, wenn wir …“
„Verzeihung, aber halt bitte den Mund.“
Damit wandte er sich wieder ab. Tja, da hatte sie offenbar was missverstanden. Er war nicht ärgerlich, er war richtiggehend wütend. Verstohlen betrachtete sie ihn. Ganz offensichtlich brodelte es in ihm, aber er war zu höflich, um es auszusprechen. Hatte sie ihn beleidigt? Etwas Falsches gesagt?
„Es tut mir leid“, murmelte er kurz darauf. „Wenn ich schlechte Laune habe, benehme ich mich manchmal daneben.“
„Was ist denn passiert? Hattest du einen schlechten Tag?“
Er lachte bitter. „Im Moment kann ich mich nicht mal daran erinnern, was für einen Tag ich überhaupt hatte.“
„Möchtest du lieber allein sein?“
Als Gray sie wieder ansah, war sein Blick so durchdringend, dass sie unwillkürlich blinzelte.
„Nein, ich will nicht allein sein“, sagte er rau. Sein Blick huschte über ihren Ausschnitt, bevor er fortfuhr. „Das ist ja das Problem.“
Joy atmete langsam aus und schaute an sich herunter. Im dämmrigen Licht des Wagens schienen ihre hellen Brüste wirklich geradezu zu schimmern. Sie wirkten voll und einladend, verführerisch.
Als der Wagen hielt, wurde die Tür von einem Mann in Livree geöffnet. Gray stieg zuerst aus und reichte ihr dann die Hand.
Joy dachte daran, was Cassandra gesagt hatte – dass zwischen ihr und Gray nichts lief. Und warum sollte sie lügen? Wenn es also stimmte, dann hatte Grays Reaktion in der Bibliothek vielleicht doch etwas mit ihr, Joy, zu tun gehabt.
Und als sie miteinander getanzt hatten, war seine Erregung auch deutlich zu spüren gewesen.
Ihr kam ein völlig verrückter Gedanke. Nachdem sie fast zehn Jahre lang von Gray geträumt hatte, verbrachte sie nun tatsächlich einen Abend mit ihm. Sie hatten so was wie ein Date. Und er fand sie ganz offensichtlich attraktiv.
War das ihre Chance, ihre Fantasie zu verwirklichen?
Gray beugte sich zu ihr hinunter. „Kommst du?“
Eine einmalige Chance. Joy beschloss, sie zu nutzen.
Sie schob ihre Hand langsam in seine und ließ dabei die Finger wie unabsichtlich über seine Handfläche streichen. Gray zuckte zusammen, als spüre auch er die Hitzewelle.
Beim Aussteigen sorgte sie dafür, dass sie ihn mit der Hüfte streifte, bevor sie richtig neben ihm stand. Dass er daraufhin scharf die Luft einsog, gab ihr Selbstvertrauen.
Während sie durch eine reich verzierte Tür schritten, ging sie in Gedanken jeden Liebesfilm durch, den sie je gesehen hatte. Sie hatte noch nie vorher versucht, einen Mann zu verführen. Wenn sie doch nur mehr Erfahrung hätte!
„Bennett! Wie geht es Ihnen?“ Ein Mann Mitte vierzig kam auf Gray zu und warf ihr einen bewundernden Blick zu. „Und wer ist Ihre reizende Begleitung?“
„Joy Moorehouse, das ist William Pierson“, stellte Gray vor, bevor er sie mit Nachdruck wegführte.
Bis sie
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