Traeume, zart wie Seide
endlich an ihrem Fenstertisch in dem eleganten Speisesaal saßen, hatte Gray bestimmt mindestens dreißig Leute begrüßt. Er schien in diesem Klub wirklich jeden zu kennen, was Joy Zeit gab, sich Mut zu machen.
Sie würde es schon schaffen. Wenn Eva ihren Adam mit nichts als einem Apfel und ein paar Ratschlägen von einer Schlange verführt hatte, würde sie es in einem Stella-McCartney-Kleid und Stilettos ja wohl auch hinkriegen!
Ihr Selbstvertrauen bekam allerdings wieder einen kleinen Knacks, als sie sich an dem Zweiertisch gegenübersaßen. Gray bestellte einen Whiskey für sich und ein Glas Chardonnay für sie, doch seine Laune war immer noch schlecht. Womöglich noch schlechter als im Wagen.
Hatte sie sich doch getäuscht? Vielleicht war ein kleiner Test angebracht. Sie schob ihren Stuhl ein Stück zurück und strich dann mit der Hand beiläufig an ihrem Ausschnitt entlang. Dort verharrte sie und zupfte wie abwesend an dem dünnen Stoff.
Sofort richtete er den Blick auf ihre Hand. Und statt der finsteren Miene sah sie nun so unverhülltes Verlangen, dass sie beinah vom Stuhl gefallen wäre.
Okay. Das wäre also geklärt.
Wein. Ein Schluck Wein, damit ihre Kehle nicht so trocken war.
„Und was hast du heute so gemacht?“, fragte sie dann.
Er blickte auf und beugte sich ein Stück vor.
„Ich möchte dir einen Rat geben, Joy“, sagte er leise. „Überleg es dir gut, ob du wirklich mit mir flirten willst. Ich bin kein netter Kerl und kann es nicht gut haben, wenn man mit mir spielt.“
Beinah hätte sie ihr Glas fallen lassen, doch dann atmete sie tief durch und sah ihm in die Augen. „Und wenn ich nicht spiele?“, fragte sie.
Gray bekam auf einmal keine Luft mehr. Er hatte sich fest darauf verlassen, dass sie sich einschüchtern lassen würde.
Bevor er reagieren konnte, trat ein Kellner an ihren Tisch. „Haben Sie schon gewählt?“
„Wir brauchen noch einen Moment“, erklärte Gray. „Aber ich hätte gern noch einen Whiskey.“
Der Kellner nickte und zog sich diskret zurück.
Gray warf Joy einen ernsten Blick zu. Hier war seine Chance, ein echter Gentleman zu sein. „Das meinst du nicht ernst“, sagte er. „Du bist weit weg von zu Hause, von deinem eigentlichen Leben. Da wird man gern leichtsinnig.“
„Soll das heißen, dass du mich nicht …“ Sie unterbrach sich.
„Attraktiv findest?“
Sie nickte stumm.
„Jetzt gerade will ich dich so sehr, dass mir die Hände zittern.“ Als ihre Augen sich weiteten, preschte er noch weiter vor. Vielleicht konnte er sie doch noch einschüchtern. „Ich möchte dir dieses Kleid mit den Zähnen ausziehen, möchte jede Stelle deines Körpers mit den Händen berühren – und dann mit dem Mund. So attraktiv finde ich dich. Und es kommt noch schlimmer. Hast du all die Männer bemerkt, denen ich dich vorgestellt habe? Ich hätte am liebsten jeden niedergeschlagen, der dich zu lange angeschaut hat.“
Der Kellner brachte den Whiskey. Gray hätte ihn gerne in einem Zug gekippt, aber er beherrschte sich. Er musste seine fünf Sinne beisammen halten.
„Aber es wäre nicht richtig, Joy“, fügte er hinzu.
„Warum nicht?“
„Weil ich dich nicht verletzen will. Ganz ehrlich, ich verdiene dich nicht.“
„Aber das stimmt doch nicht …“
„Oh doch. Ich wette, dass dir Sex mehr bedeutet als mir. Ich habe eine Menge Frauen am Morgen danach einfach verlassen und mich nie wieder gemeldet. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich kann es auch nicht leugnen. Und genau das will ich dir nicht antun. Ich mag dich, Joy, ich mag dich wirklich sehr. Und du hast so viel mehr verdient als ein leeres Kopfkissen am Morgen danach.“
Das schien ihr zu denken zu geben, denn als sie jetzt an ihrem Ausschnitt zupfte, schob sie den Stoff tatsächlich ein wenig höher.
„Ich wünschte, ich wäre ein anderer Mann“, gestand er leise. „Weil ich wirklich gerne mit dir zusammen wäre.“
Während des Essens gab Joy sich Mühe, so zu tun, als wäre nichts geschehen. Sie sprachen über Frankies Hochzeit und Cassandras Kleid, über New York und ihre ersten Eindrücke, doch sie aß nur ein paar Bissen und rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her. Als sie den Klub verließen, spürte Gray deutlich, wie ihre Anspannung wuchs.
Vor Cassandras Wohnung stieg er wieder als Erster aus. „Ich bring dich nach oben.“
„Das ist nicht nötig.“ Sie ging an ihm vorbei und lächelte ihm über die Schulter zu. „Danke für das Essen.“
Trotzdem begleitete er sie in
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