Träume(h)r (German Edition)
schon einige Jahre her, dass die etwas Vernünftiges aufgenommen haben, wenn man von dem Mainstream-Scheiß absieht, den sie aktuell fabrizieren. Und noch etwas, wenn du nichts dagegen hast, dann rauche ich mir eben Einen auf deiner Terrasse.«
Marc nickte gleichgültig. Er selbst hatte nie Spaß am Kiffen gefunden, aber tolerierte das Verlangen seines Kumpels, der stets bekräftigte, dass etwas Gras seine künstlerische Ader förderte.
Ole zeichnete nämlich leidenschaftlich gerne und zudem photographisch genau. Überall in seiner Studentenbude hingen die unterschiedlichsten Bilder. Marcs Ansicht nach hätte er Design oder irgendetwas kreativeres als BWL studieren sollen, aber im Glashaus sitzend, warf er lieber nicht mit Steinen. Immerhin hatte er ebenfalls die Wahl zwischen fast dreitausend Studiengängen, die es in Deutschland gab, gehabt und sie nicht genutzt.
Nach kurzem Warten sang zu Oles Begeisterung Mark Wakefield, der Leadsänger von Linkin Park durch zwei kraftvolle Stereolautsprecher den Song »In The End«. Nachdem der Riese seinen Joint aufgeraucht hatte, ließ er sich neben Marc auf einem der Liegestühle auf der Terrasse nieder.
Marc warf ihm daraufhin mit den Worten »Wenn schon entspannen, dann mit Stil!« eine Sonnenbrille mit pinkfarbenen Gläsern in Herzform auf den Schoß, die Ole sich sofort aufsetzte. Marc selbst trug bereits eine billige Plastikbrille, deren Gläser aus Pappe waren und jeweils ein keines Guckloch auf Augenhöhe besaßen. Die Vorderseite der Pappe war mit einem geöffneten Augenpaar bedruckt. Ole kannte die Brille nur zu gut aus langweiligen Vorlesungen, worin Marc sie aufzog, um ihre Stimmung anzuheben.
Im Anschluss widmeten sich die beiden wieder ihrem Saufgelage. Nach dem sechsten Bier wurde Marcs Gang zum Badezimmer immer häufiger und um einiges anstrengender. Er stellte sich vor der Kapitän eines riesigen Segelschiffes zu sein, das in einen Sturm geraten war. Dabei lief er ständig von Bug, in diesem Fall der Terrasse, bis zum Heck, wo sich das Bad befand, um die herannahende Katastrophe zu verhindern. Die Situation sah für einen nüchternen Beobachter sehr amüsant aus, denn Marc gab nicht nur in seiner Fantasie Anweisungen an die gesamte Besatzung des Schiffes.
»Jungs, durchhalten!«, rief er. »Jefferson, gehen Sie von der Reling weg, ich möchte nicht noch einen Mann durch diesen Sturm verlieren. Bewegen sie Ihren Arsch zu Johnson! Der wird Ihnen sagen, was Sie zu tun haben.«
»Ai ai Kapitän!«, antwortete der fiktive Matrose gehorsam und Marc konnte sich, seine Mannschaft in Sicherheit wissend, zurück zu dem ersten Kommandanten Ole Reike begeben.
Der lag still auf seiner Liege, als Marc von dem Ausflug in die Fluten der Weltmeere wiederkehrte. Bei ihrem ausgiebigen Alkoholkonsum, war dies ein sehr untypisches Verhalten für Ole, denn normalerweise hätte Marc für den Rest des Abends einem Monolog, der von dem Riesen ausgehen würde, lauschen können.
»Hey, was ist mit Ihnen los, Mr. Durden? Sie sehen ja aus, als sei heute jemand gestorben!«, sagte Marc lallend.
»Während du wie ein Schuljunge, der zu viel Milch getrunken hat, alle zehn Minuten zwischen Toilette und Terrasse hin und her geschwankt bist und als Kapitän deine Crew navigieren musstest, habe ich mir Gedanken über unsere Liste gemacht.«
Er pausierte für ein oder zwei Sekunden.
»Das ist doch alles Scheiße! Wir werden das niemals machen. Wir gehen bestimmt morgen zur Uni und immatrikulieren uns wieder. So sieht es doch aus!«
Oles Zweifel waren berechtigt. Nicht nur ihre Entscheidung war impulsiver Natur gewesen, sondern auch die Liste, die sie zusammengestellt hatten, sah absolut wirklichkeitsfremd aus.
Trotzdem war Marc davon überzeugt, dass ihre Pläne irgendwie realisierbar waren. Selbst wenn er dafür seinen goldenen Käfig verlassen und Ole einen ordentlichen Tritt in den Arsch verpassen musste, war dies kein Hindernis für ihn. Träumer lebten eben mit den Konsequenzen der Handlungen, die sie im Affekt begangen hatten und das war nun auch ihr Schicksal.
»Ole, ich verspreche dir, dass wir einen dieser Punkte auf der Liste durchziehen werden. Das sind unsere Träume, so sollten wir leben! Wir sind die Kinder, die niemals aus dem Nimmerland zurückkehrten, die niemals aufhörten zu träumen. Das müssen wir auch nicht. Wir werden unsere Träume leben!«
Noch immer unsicher, sah Ole ihn an.
»Ich will nur nicht am Ende alleine dastehen und es bereuen müssen, dass ich
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