Träume(h)r (German Edition)
bekam von Ole ein lässiges Schulterzucken als Antwort.
Die Sache war beschlossen und die Fische in Salema würden noch einige Tage warten müssen. Carpe diem, kam Marc in den Sinn, als die Vier am Bahnhof Paris Gare du Nord ausstiegen.
Die Wohnung der Zwillinge lag in einer ruhigen, harmonischen Ecke der Stadt. Ab und zu fuhr das ein oder andere Auto vorbei, aber die Geräusche der Motoren drangen nur sehr schwach bis zu dem Apartment in der fünften Etage hinauf. Wunderbar klischeehaft, fand Marc, als er draußen den Boden inspizierte und zu seiner Freude feststellte, dass es Kopfsteinpflaster war. Gewiss zum Inline-Skaten ungeeignet, aber wie gemacht für verträumtes Umherschlendern. Vom Fenster aus sah man das Pariser Riesenrad, das im Dunkeln grell leuchtete.
Der Obelisk de Luxor ragte dahinter, etwas weiter entfernt, in den Himmel. Marc stellte sich vor wie aufwendig es gewesen sein musste diesen riesigen Granitklumpen, der über zweihundert Tonnen wog, von Ägypten aus bis in die französische Hauptstadt zu transportieren. Wahrscheinlich hatten das zu dieser Zeit noch echte Männer, wie Kopfnuss Klaus mit ihren eigenen Händen vollbracht.
Im Gegensatz zu ihren deutschen Gästen, waren Louanne und ihre Schwester Cloé sehr gut mit dem Kochen vertraut. Als alleinwohnende Studentinnen könne man so etwas eben, sagten sie über das Erstaunen der Männer empört.
Die Mädels zauberten mit Leichtigkeit und in bemerkenswert kurzer Zeit einige, sehr schmackhafte Crêpes auf den Tisch. In Kombination mit Konfitüre und einer Nuss-Nugat-Creme, Nutella hatten sie zu Oles Bedauern nicht im Haus, schmeckten sie köstlich. Sogar Marc gefiel die nächtliche Mahlzeit, obwohl es anders als zuhause schmeckte. Apropos Zuhause.
Er griff sich sein Mobiltelefon und registrierte fünf Anrufe in Abwesenheit. Natürlich alle von seiner Mutter, die gewiss vor Sorge fast umkam. Er schrieb eine kurze SMS, worin stand, dass es ihnen gut ginge und alles in Ordnung sei. Daraufhin steckte er das Telefon wieder in seine Hosentasche. Die Jeans klebte förmlich an ihm. Ole hatte recht behalten. Es war wirklich nicht die beste Hose für eine Reise im Sommer, aber das kümmerte Marc wenig.
Beim Essen schaute er sich etwas um. Die Küche hatte, wie der Rest des Altbaus, sehr hohe Decken. Der Boden war mit dunklem Parkett ausgelegt. Die gesamte Wohnung war gut restauriert und sah nicht nach einer gewöhnlichen Studentenbude aus.
Es gab da den Blick auf Sehenswürdigkeiten, zwei Bäder und mindestens achtzig Quadratmeter für zwei Personen, stellte er fest. Entweder kamen die Schwestern aus einem wohlhabenden Elternhaus, arbeiteten nebenher als Fotomodels oder ernährten sich hauptsächlich von Watte, um sich solch eine Behausung leisten zu können. Seine zweite Vermutung bewahrheitete sich wenig später.
Nachdem die Vier satt und glücklich waren, leerten sie noch eine Flasche Wein, woraufhin sich Ole und Chloé in ihr Zimmer am Ende des Flurs verzogen. Wahrscheinlich setzten sie ihre Zugfahrt mit dem deutschen ICE in Richtung Bastille fort. Der schlaksige Ole auf einem magren Model. Das gab sicher blaue Flecken.
Louanne führte Marc in ihr Zimmer, wo an fast allen Wänden professionelle Bilder von ihr und Chloé hingen. Sie waren vor einigen Jahren, lange vor ihrem Studium, zu zweit auf der Champs Élysées entlangspaziert, als ein Model-Scout sie entdeckte und für seine Agentur rekrutierte. Seitdem finanzierten die Zwillinge das Studium, samt luxuriöser Wohnung durch ihren lukrativen Nebenjob.
Irgendwann drehte sich Marc, während einer Unterhaltung über das Dasein als Model in Paris, zu Louanne um und küsste sie ohne jede Vorwarnung. Diese Methode hatte er sich seit der Schulzeit angewöhnt, da ihn schon immer die Angst geplagt hatte von einem Mädchen im entscheidenden Moment abgewiesen zu werden. Somit zählte er einfach jedes Mal, nachdem er seinen gesamten Mut mobilisierte hatte, von Fünf auf Null herunter, um sein Glück am Ende des Countdowns auf die Probe zu stellen. Bislang hatte er mit dieser Technik noch nie eine Ohrfeige kassiert und auch bei dem heutigen Versuch gab es kein Scheitern.
Auf den Kuss folgte eine wilde Nacht, worin Marc alle, durch die Crêpes zu sich genommenen Kalorien, benötigte, um die unersättliche Französin zufrieden zu stellen, denn Louanne bewies ihm nicht nur, dass sie gelenkiger als eine asiatische Bodenturnerin war, sondern es stellte sich zusätzlich heraus, dass sie die Ausdauer eines
Weitere Kostenlose Bücher