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Träume(h)r (German Edition)

Träume(h)r (German Edition)

Titel: Träume(h)r (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Moos
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Thriller und Krimis, wie Marc sie auf seiner Dachterrasse las. Es war Weltliteratur. Goethe, Schiller, Shakespeare, Hemingway und Homer lagen neben dem Mann auf dem Boden aufgereiht.
    »Ich lese viel!«, sagte der Obdachlose, als ihm auffiel wie Marc seine Bücher inspizierte.
    »Größtenteils Klassiker. Sie sagen sehr viel darüber aus, wie die Menschen in ihrer Zeit gelebt haben und in welcher Form man sie unterdrückte, wissen Sie? Je stärker der Druck war, den man auf die Gesellschaft ausübte, umso genauer muss man heute hinsehen, um die wahren Intuitionen des Autors zu erfassen«, sagte er und nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche.
    Wie konnte ein so gebildeter Mann nur vor einem Bahnhof in Paris auf der Straße landen, fragte sich Marc erstaunt. Auch Ole, der den Kiosk verlassen hatte, lauschte bereits seit geraumer Zeit, neben seinem Freund Marc, den Worten des Mannes.
    Marcs Zweifel um den Beruf des Unbekannten wichen immer mehr und er stellte sich dem Dozenten vor. Es war der erste Professor, nach Söring, den er persönlich kennenlernte und man konnte, seinen bisherigen Erfahrungen zufolge, sicher behaupten, dass Professoren irgendwie zu einem seltsamen Schlag Mensch gehörten.
    »Ich heiße Marc, es freut mich wirklich, Sie kennenzulernen. Das neben mir ist mein Freund Ole. Entschuldigen Sie bitte meine Offenheit, aber was zwingt einen Professor dazu auf der Straße zu leben?«
    Marc konnte es nicht aushalten und hatte den Mann direkt fragen müssen. Dabei streckte er ihm aufrichtig die Hand entgegen und Ole tat es ihm gleich. Der Professor erhob sich von seiner verfilzten Decke und schüttelte ihnen jeweils die Hände.
    »Doktor Mathis Lefort. Es ist lange her, dass mir gegenüber Respekt erwiesen wurde«, sagte Mathis und stellte seine Bierflasche auf dem Boden ab.
    »Wisst ihr, bis vor drei Jahren war noch alles in bester Ordnung. Ich hatte keinerlei Probleme, mir ging es gut und die Universität war auch noch nicht verärgert. Dann kam dieses Mädchen in mein Leben. Ihr Name war Louanne!«
    Marc stockte der Atem und seine Augen weiteten sich um das Fünffache.
    »Sie brachte alles durcheinander. Eine Psychologiestudentin im frühen Semester und ich ein dummer, schwacher Mann. In meinem Kurs hatte sie herausragende Noten, obwohl sie ihn nur spaßeshalber neben ihrem Studium belegt hatte. Überaus intelligent und unbeschreiblich schön. Das könnt ihr euch nicht vorstellen!«
    Das konnte er ziemlich gut, dachte sich Marc und auch Ole sah danach aus, als wusste er ungefähr, was sie nun erwarten würde.
    »Es kam eins zum anderen. Wir verliebten uns. Frankreich, Paris, die Liebe! Drei Freunde, wissen Sie? Aber ich hatte eine Frau und nach einiger Zeit konnte ich es nicht mehr. Es war falsch! Zudem war Louanne, wie soll ich es ausdrücken? Sie war ein Monster. Ich weiß nicht, wer diese Frau bezwingen soll, aber sie ist wie eine wilde Raubkatze. Mein alter Körper hat das nicht mehr aushalten können!«
    Die schöne Louanne schien überall ihr Unwesen zu treiben, stellte Marc fest. Er konnte sehr gut nachvollziehen, was der Professor hatte durchmachen müssen.
    »Als ich mich von ihr trennen wollte, drohte sie mir damit, mich komplett fertig zu machen, was sie dann auch tat. Unsere gesamte Geschichte gelangte wenige Wochen später an die Presse. Ich verlor meinen Posten an der Universität und meine Frau sieht mich seitdem nicht einmal mehr mit ihrem Hintern an. Es ist grauenhaft. Eine wahre Tragödie. C’est la vie!«
    Mathis fluchte leise in seiner Sprache und fuhr fort.
    »Ich war noch nie ein sparsamer Mensch und hatte deshalb keine nennenswerten Rücklagen. Von einem auf den anderen Tag saß ich vor der Tür. Kein Haus, keine Frau und keinen Job mehr. Sogar umbringen wollte ich mich, aber nach drei misslungenen Versuchen, will ich mir eine vierte Niederlage ersparen, um nicht erneut von Schwester Carolin empfangen zu werden, die mich mittlerweile bestimmt schon satt hat.«
    Der Professor pausierte erneut für einige Sekunden und fuhr mit der Hand durch sein pflegebedürftiges Haar.
    »Nun sitze ich hier Tag für Tag und habe nur noch meine Bücher und das Bier. Mir kam schon vor einem Jahr der Gedanke einen Roman über die Intrigen der Gesellschaft und das Scheitern des Menschen zu schreiben. Sozusagen als Hommage an mein verpfuschtes Dasein, aber dazu wird es vermutlich wohl nie kommen.«
    Er beendete seine traurige Geschichte mit einem langen Seufzer und hob die Flasche vom Boden

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