Träume(h)r (German Edition)
ersten Pläne für seinen Roman aufgestellt hatte, legte er sich in sein neues Bett und bat das Universum um alles Glück der Welt für die zwei.
Der EuroNight 407 fuhr in Paris. Ole und Marc konnten problemlos ein leeres Abteil finden. Wenige Sekunden nach dem Verstauen ihres Gepäcks, kam ein Mann herein, der sie auf Englisch fragte, ob noch ein Platz frei sei.
Der Fremde war ungefähr 1,80m groß und sah aus wie der reinste Durchschnittsmensch. Kurzes, braunes Haar, leicht übergewichtig und stinknormale Jeans. Jemand, den man an einem sonnigen Tag in der Menge sofort übersehen würde, es sei denn, er hatte bei den aktuellen Temperaturen einen dicken, modischen, schwarzen Wollpullover am Körper.
»Ich heiße Noah London und komme aus Ipswich, aber in Linton geboren und aufgewachsen«, stellte er sich unaufgefordert, aber sehr höflich vor. Er sprach Englisch mit stark britischem Akzent. Sein Kopf war durch die gespeicherte Wärme unter dem Pullover hochrot angelaufen.
Auch Ole und Marc nannten nacheinander ihre Namen inklusive aktuellem Wohnort und ihren Geburtsorten. Der Fremde schenkte den Aussagen der Beiden ein verhaltenes Lächeln und verstaute seinen ebenfalls schwarzen Rucksack, nachdem er daraus einige Medikamente hervorgeholt hatte.
Ole war entsetzt darüber, dass jemand bei der gegenwärtigen Sommerhitze einen kuscheligen Pullover trug.
»Entschuldigen Sie, aber hat es einen besonderen Grund, weshalb Sie diesen dicken Wollpullover tragen?«, fragte er vorsichtig.
Noah blickte die beiden abwechselnd an und begann anschließend eine ausführliche Zusammenfassung seines Werdegangs zu erzählen, die, so versprach er zumindest, aufklären würde, weshalb er diesen Pullover trug.
Der kleine Noah London musste bereits im Alter von siebzehn Jahren zuhause, auf dem elterlichen Hof als Schafhirte aushelfen. Nach seinem Schulabschluss war ihm das Dasein als Hirte so leid gewesen, dass er mehr erreichen wollte. Mit der Unterstützung seiner Familie eröffnete Noah eine eigene Schafzucht. Die Geschäfte liefen nach der Eröffnung jahrelang, wie bei fast allen anderen Schafzüchtern, mittelmäßig. Zum Überleben reichte es aus, aber keiner war damit außergewöhnlich erfolgreich geworden. Als er wieder einmal ein schwarzes Schaf unter den weißen und gräulichen Schafen entdeckte, dachte sich Noah, dass es in seiner Umgebung keine Zucht mit schwarzen Schafen gab. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob überhaupt eine Zucht existierte, die sich ausschließlich mit schwarzen Schafen beschäftigte. Diese wurden nämlich immer aussortiert und als Plage angesehen. Niemand wusste sie zu schätzen. Zudem war sich Noah sicher, mit einer schwarzen Schafzucht einen Nischenmarkt zu bedienen, den so bislang niemand erkannt hatte. Daraufhin nahm er alle schwarzen Schafe aus den Nachbarhöfen bei sich auf und begann, sie zu züchten. Die weißen Schafe verkaufte er und fokussierte sich ausschließlich auf seine verstoßenen Lieblinge. Nach einem Jahr war er kurz vor dem Bankrott, weil niemand die Wolle seiner Schafe kaufte.
Eines Tages kam eine seltsame Gruppe von Menschen zu ihm auf den Hof. Es waren fünf Personen. Darunter zwei Frauen und ein Mann, die sehr formelle Kleidung trugen und wie Geschäftsleute aussahen und zwei weitere Männer, die überaus feminin wirkten. Sie trugen ausschließlich schwarze, auffällig modische Kleidung. Nach kurzer Zeit wurde Noah darüber aufgeklärt, dass die beiden Männchen Designer aus der Londoner Modebranche waren und gerne seine Wolle für die Produktion ihrer Kleidung benutzen wollten.
Auf Noahs Hof waren sie gestoßen, weil er nach einem Jahr unverkaufter Wolle und einer Zucht mit schwarzen Schafen als absoluter Dorftrottel bekannt wurde. Sogar überregional hatte die erfolglose Schafzucht Schlagzeilen gemacht.
In diesem Punkt kam die Tante eines der Designer ins Spiel. Sie hatte einen Zeitungsartikel über den unglücklichen Züchter gelesen und wusste, dass ihr Neffe Wolle für seine extravagante Mode suchte. Folglich leitete sie den Artikel weiter. Sogar das mit angereiste Management-Team war damals von der Entdeckung der Tante begeistert. Einerseits würde man durch die Zusammenarbeit mit Noahs Schafzucht schwarze Wolle in höchster Qualität bekommen und andererseits wäre es ein guter Publicity-Gag, womit sich das Unternehmen zeitgleich als tierlieb und gutherzig positionieren konnte.
Letzten Endes unterschrieb Noah London einen Vertrag, worin er versicherte, dass
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