Träume(h)r (German Edition)
hindurchgesteckt hatte, sah er, dass es nach draußen zu einem Balkon führte, der um die gesamte Rückseite des Restaurants ging. Er verließ den Raum nicht, ohne seinen Degen und das rote Tuch eingesteckt zu haben.
Auf Zehenspitzen schlich er den Vorbau entlang, wobei er im Hintergrund noch immer das Donnern hörte, das ihn auf seiner Flucht jedes Mal hochfahren ließ. Marc war darüber verwundert, dass weder Miguel, noch Pepe durch das Poltern an seiner Tür alarmiert wurden, obwohl sie ihre Zimmer auf demselben Flur wie er hatten. Vermutlich waren sie es gewohnt, dass regelmäßig Hobby-Matadoren von Esmeralda in einer dunklen Ecke ihres Restaurant vernascht wurden.
Vom Balkon aus sah Marc sich gründlich um, aber konnte keine Treppe nach unten finden. Zum Dach führte ebenfalls keine Leiter hinauf. Der einzige Weg aus dem Lokal, führte durch das Fenster in der Küche, das einen Spalt breit offen stand. Marc zwängte seine Hand durch die Öffnung und hebelte es aus.
Lautlos kletterte er über die Fensterbank in den Raum hinein und sprang geräuschlos auf den Boden. Die Landung federte er sanft mit seinen Knien ab. Dabei fühlte sich Marc wie ein Agent in geheimer Mission. Fest an die Wand gepresst glitt er durch den Raum, obwohl ihn in der dunklen Küche sowieso niemand sehen konnte, aber es war ihm egal. Für Marc war es seine persönliche Light-Version von »Mission Impossible« mit dem Ziel, zu entkommen.
Vom Innenraum der Küche konnte er in den Flur bis zu der Eingangstür seines Zimmers blicken. Es war wirklich Esmeralda, die wieder und wieder taumelnd gegen das Holz lief. Pepe wurde jedoch nicht von ihr als Rammbock benutzt. Stattdessen klammerte sich ihre Hand an eine Flasche Wein. Alkohol verdirbt den Charakter, dachte sich Marc bei diesem Anblick. Zudem stellte er fest, dass ihm nur die Möglichkeit blieb hinunter in das Restaurant zu fliehen, um von dort aus irgendwie auf die Straße zu gelangen, da sich der zweite Ausgang hinter der wuchtigen Spanierin befand und somit unerreichbar war.
Er schlich wie er es sich bei seiner Mutter jahrelang abgeguckt hatte über den beleuchteten Flur bis zu den Treppen und verschwand ungesehen in der Dunkelheit. Beim Hinabsteigen der Stufen, bewegte sich Marc sehr vorsichtig, da er kaum die eigene Hand vor den Augen erkennen konnte. Er tastete sich langsam an den Wänden voran, um nicht ins Stolpern zu geraten oder irgendwelchen Lärm zu verursachen, da die Gefahr hinter ihm noch immer nicht gebannt war.
Die Tür zum Lokal war glücklicherweise nicht abgeschlossen, aber Marc musste mit viel Kraft dagegen drücken, um das Gewicht des Banners anzuheben, der davor hing. Im Restaurant war es düster, aber man konnte die Umrisse des alten Mobiliars schwach erkennen. Marc bewegte sich behutsam zwischen den Stühlen und Tischen hindurch und ging die Treppen zum ersten Stockwerk hinunter. Mittlerweile konnte er das dumpfe Poltern nicht mehr zurückverfolgen. Möglicherweise hatte Esmeralda aufgegeben, vermutete Marc und setzte seinen Weg fort. Als er gerade an der Bar, wo er Pepe und Sofia kennengelernt hatte, vorbeikam, hörte er vom Innenhof aus Stimmen. Marc schlich leise zu einer Säule, die direkt an den Hof grenzte und lauschte den Tönen, die vom Dach kamen. Er konnte zwei Schatten beobachten und dabei leise Wortwechsel vernehmen.
»Du bist so ein charmanter Gentleman«, sagte eine Frauenstimme mit spanischem Akzent.
»Ach was, ich bin ein ganz normaler Typ!«, antwortete eine männliche Stimme bescheiden im Flüsterton. »Ich kann mir nur nicht erklären, wie so eine Schönheit als Kellnerin arbeiten muss. Du müsstest nicht im Innenhof eines Restaurants tanzen, sondern auf den schönsten Bühnen vor der ganzen Welt. Du solltest Schauspielerin oder professionelle Tänzerin werden. Alle würden dich anhimmeln, Sofia!«
Schon nach dem zweiten Satz, war Marc bewusst, dass es Ole sein musste, der dort oben Süßholz raspelte. Er streckte seinen Kopf hinter der Säule hervor und ließ ein kurzes »Psst« ertönen. Keiner hatte ihn bemerkt.
Die zwei küssten sich vermutlich, nahm Marc an, da ihre Schatten zu einem Ganzen verschmolzen waren. Erneut ließ er ein »Psst« ertönen, das dieses Mal lauter und langgezogener war, als das zuvor. Keine Reaktion. Daraufhin versuchte es Marc wütend und in lautem Ton.
»Ole, du blöder Penner!«
Mit einem Mal lösten sich die Schatten voneinander und blickten nach unten, um dem Ursprung der Stimme zurück zu
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