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Träume(h)r (German Edition)

Träume(h)r (German Edition)

Titel: Träume(h)r (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Moos
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Landschaften, imposanten Gebäuden und aufwendigen Stillleben beherrschte er perfekt. In seinem WG-Zimmer hatte er einen Haufen Bilder an den Wänden hängen, die er einerseits in langweiligen Vorlesungen und andererseits in seiner Freizeit kreiert hatte.
    Inzwischen las Marc den letzten Beitrag auf der dritten Seite. Als er umblätterte, musste er mehrfach hinsehen, um zu glauben, was seine Augen sahen.
    »Knall dir das mal rein, Ole!«, sagte er und hielt seinem Freund die Zeitung direkt vor die Nase. Es war eine Fotografie von Christian Söring, die seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Der Professor hielt sich eine Mappe vor das Gesicht und war nur durch den perfekt geschneiderten Maßanzug zu erkennen. Auf dem Bild sah man ihn im Laufschritt vor Reportern und Fotografen fliehen. Die Überschrift war riesig darunter zu erkennen »Professor Blender im Fadenkreuz«.
    Ole riss Marc sofort die Zeitung aus der Hand und überflog den Artikel in Sekundenschnelle. Daraufhin sprang er vor Freude auf und stieß sich dabei den Kopf an der Decke.
    »Ja Mann! Siehst du das hier?«, rief er und tastete gleichzeitig seinen Hinterkopf nach Verletzungen ab. Marc konnte in einer Zeile Oles Nicknamen Tyler_Durden87 erkennen.
    »Die nennen mich einen ernstzunehmenden Untergrundakteur und verweisen auf mögliche Verbindungen zu dem Kollektiv Anonymous«, sagte er stolz und wartete auf Marcs Reaktion.
    »Dann hast du wohl alles richtig gemacht. Glückwunsch!«, antworte Marc und klopfte seinem Freund anerkennend auf die Schulter.
    »Kannst dich noch später darüber freuen, aber jetzt gib mir endlich die Zeitung wieder oder willst du sie jetzt ganz für dich behalten?«
    Ole blickte seinen ungeduldigen Freund skeptisch an, woraufhin seine Augen langsam zur dem Schiebefester wanderten, das sie geöffnet hatten, um die stickige Luft in ihrem Abteil zu vertreiben. Mit einer schnellen Handbewegung warf er das Blatt durch die enge Luke.
    »Arschloch!«, schrie Marc und stürzte sich auf den gemeinen Riesen, der sich mit aller Kraft gegen ihn wehrte. Die kurze Rangelei endete darin, dass Ole seinen Gegner in die Luft hob und mit voller Gewalt auf das Bett warf, das unter Marcs Gewicht in sich zusammenkrachte. Es hing nun wie eine Sprungschanze von der Wand herunter.
    »Na toll«, sagte Marc außer Atem. »Vielleicht sollten wir die Spaßkämpfchen lassen und demnächst unsere Streitigkeiten auf friedlichem Wege klären.«
    Ole stimmte dem Vorschlag ohne Gegenwehr zu und betrachtete das von ihnen angerichtete Chaos.
    »Wo willst du eigentlich jetzt schlafen?«, fragte er Marc in einem frechen Ton.
    »Was soll das heißen? Du hast mein Bett kaputt gemacht, also schläfst du auf dem Boden!«
    »Das sehe ich aber anders«, sagte Ole und begab sich in Angriffsposition. Erneut startete eine Rangelei, die zu der zweiten Sprungschanze im Abteil führte, das mittlerweile wie ein Kriegsschauplatz aussah.
    »Zufrieden?«, fragte Marc seinen Widersacher mit einem grimmigen Blick im Gesicht.
    »Worauf du dich verlassen kannst!«
    Ole wischte sich den Schweiß von seiner Stirn. In seinem Kopf war er wahrscheinlich Tyler Durden gewesen, der im Fight Club irgendeinem Weichei den Arsch aufgerissen hatte, dachte sich Marc.
    »Was stand denn nun eigentlich in dem Artikel?«, fragte er, nachdem beide ein wenig verschnauft hatten, woraufhin ihm der Riese erzählte, dass sich fast als sicher herausgestellt hatte, dass die Gerüchte um Söring stimmten. Sogar der Verdacht auf Geldwäsche hatte sich erhärtet und auch an dem Doktortitel war etwas unstimmig. Mittlerweile hatte der falsche Professor zusätzlich den in Mode gekommenen Plagiatsvorwurf am Hals.
    »Das volle Paket«, lachte Ole.
    Nach einigen Unterhaltungen über die Zukunft Sörings, versuchte sich Marc irgendwie bequem auf dem Boden, zwischen den kaputten Betten, zu positionieren. Er stemmte seine Beine gegen den Rand von Oles Bett, um nicht vollkommen herunter zu rutschen und lehnte sich dabei mit dem Rücken an seine eigene Sprungschanze. Ole tat es ihm auf der gegenüberliegenden Seite gleich.
    Da Marc keine andere Beschäftigung fand, als die traurige Novelle weiterzulesen, schlug er die Stelle auf, bei der er vor ihrer Rangelei stehengeblieben war und begann zu lesen.
    Es kam ihm vor, wie das Deprimierendste, was sich jemals in einem Buch verborgen hatte. Da lässt sich dieser Mann doch tatsächlich geschlagene drei Tage in seinem kleinen Ruderboot auf das Meer hinausziehen, hat den

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