Träume(h)r (German Edition)
auch hin und wieder ein paar Tage frei nehmen können, wenn ihnen danach war.
Als Ole die finalen Reste aus den Schüsseln gekratzt hatte und wirklich nichts übrig geblieben war, nahm Marc seinen letzten Schluck Sagres und bedankte sich höflich bei dem Ehepaar. Auf den Weg zu ihren Zimmern beschlossen die beiden den Fischern am nächsten Morgen einen Besuch abzustatten.
Als der Wecker um sieben Uhr klingelte, kletterte Marc niedergeschlagen aus seinem Bett. In der Nacht war er kaum zur Ruhe gekommen, da das gesamte Haus durch das Tosen der Windböen erschüttert wurde. Ole hingegen, den er wenige Minuten darauf weckte, hatte nicht das Geringste bemerkt. Dennoch geisterte er nicht weniger verschlafen umher.
Nachdem der Riese ihm einen viel zu großen Pullover geliehen hatte, gingen sie los in Richtung Strand. Gerade einmal dreiundfünfzig Schritte, die Marc akribisch zählte dauert es, bis sie das Meer sehen konnten. Die Sonne ging gerade auf und noch wirkten ihre Sonnenstrahlen nicht. Beide froren deshalb in der beißenden Kälte des Windes, obwohl sie warm eingepackt waren.
Der Strand sah ganz anders aus. Vollkommen verlassen. Ein Kilometer Sand und mehr nicht. Wie in dem Salema, das von Jack bewohnt wurde. Um diese Uhrzeit hatte sich noch kein einziger Tourist hier eingefunden. Noch nicht einmal deutsche Rentner waren anwesend, die sonst einen sehr zuverlässigen Biorhythmus hatten. Die Tretboote, Liegen und Sonnenschirme, wirkten jetzt fehl am Platz. Auf der Meeresoberfläche saßen unzählige Möwen und schenkten den beiden Besuchern wenig Aufmerksamkeit. Sie blickten sich um, aber es war kein Fischer zu sehen. Vermutlich waren sie etwas zu früh dran, dachte sich Marc, aber nur wenige Minuten später hörte er aus den Weiten des Meeres das Geräusch eines Motors und kurz darauf waren die ersten Umrisse eines Bootes zu erkennen.
Als der Kahn wenige Meter vor dem Ufer anhielt, machten die Möwen etwas Platz für einen Fischer, der aus dem Inneren des Bootes ins kniehohe Wasser sprang. Er trug eine Art Blaumann aus Gummi, wasserdichte Schuhe, einen dicken Strickpullover und eine warme Wollmütze. Sein Gesicht konnte Marc erst erkennen, als er an ihnen vorbeilief, um zu einem Traktor zu gelangen, der unter einer Überdachung stand. Es sah aus, als hätte er kein einfaches Leben hinter sich gehabt.
Der Mann stieg in die Führerkabine des Traktors und fuhr rückwärts in Richtung Wasser. Daraufhin befestigte er mit zwei weiteren Fischern, die mit ihm auf See waren, ein Seil zwischen Boot und Traktor und gab vorsichtig Gas. Langsam bewegte sich der Kahn durch den Sand, bis der Traktor irgendwann anhielt und sie die Zugvorrichtung loslösten.
Das Boot war alt und marode. Die besten Jahre hatte es längst hinter sich gelassen, stellte Marc fest. Der Lack war abgesplittert und es war nicht mehr viel von der einstigen Farbe zu erkennen. Im Gegensatz zu dem hölzernen Ruderboot in der Novelle Hemingways, war dieser Kahn aus Metall verarbeitet. Hinten ragten zwei Motoren hervor, die das einzig Moderne daran waren. Auch die Ausrüstung an Bord sah, soweit sie erkennen konnten, mitgenommen aus.
Ohne viel miteinander zu reden, leerten die Fischer ihre Plastiknetze und sortierten sie im Anschluss sorgfältig. Die einzigen Stimmen, die man währenddessen hörte, kamen aus einem Funkgerät, das sich im Inneren des Bootes befand. Die Fischreste warfen sie in das Meer, wo die hungrigen Möwen bereits auf ihre Fütterung warteten.
Mittlerweile zog der Traktor das zweite und dann das dritte Boot aus dem Wasser. Die Fischer wurden nun redseliger und unterhielten sich auf Portugiesisch miteinander, während sie weiterhin ihren Pflichten nachgingen.
»Vielleicht sollten wir erst einmal einen von denen fragen, ob wir für eine unbestimmte Zeit mitfahren dürfen, um uns ein wenig die Techniken abzugucken und etwas zu lernen. So etwas wie ein Praktikum«, schlug Ole vor.
»Das wäre dann das erste, das wir in unseren Lebenslauf eintragen könnten«, entgegnete Marc belustigt.
Er stimmte seinem Freund jedoch zu, dass man einige Erfahrungen sammeln sollte, bevor man sich alleine ins Abenteuer stürzte. Also näherte er sich langsam den Fischern, die ihn ab einer unsichtbaren Schwelle, die er schnell überschritten hatte, allesamt mit Argwohn begutachteten und fragte auf allen Sprachen, die er beherrschte oder gar zu beherrschen glaubte nach einem Praktikum. Die Männer schauten ihn mit einem Fragezeichen im Gesicht an und
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