Traeumer und Suender
der
religieuse
.
«Ja,
Riget â¦
hab ich sogar noch verkauft an Stephen King, der wollte unbedingt die Rechte und seine eigene Horror-Hospital-Serie daraus machen, ist ein bemühter Versuch geworden, Kultfernsehen zu machen, hübsch anzusehen, aber halt auf eine Kingâsche Art berechenbar. War auch kein Erfolg, hat er Geld mit verloren, aber was sollâs, der King hatâs ja und mit
Kingdom Hospital
â mit ihm als Ideengeber und Koproduzent â hat er sich mal wieder ein Denkmal gesetzt, zumindest von der Benamsung her. Erinnern Sie sich an die andere Idee, die er hatte? Dass er seine Bücher frei im Netz veröffentlicht, als Fortsetzungsroman, und die Leser dann ab dem dritten Kapitel zahlen, wenn sie wissen wollen, wie es weitergeht? Hat so was von nicht hingehauen. Stellen Sie sich vor, wenn wir das im Kino machen müssten, kleiner Schlitz am Sitz, ganz Peepshow-mäÃig, und nach zehn Minuten noch mal und noch mal, und ja, der hat Ãberlänge. Wie wär das? Ein SpaÃ? Nein, ein Desaster! Na, der von Trier hätte dabei jetzt erst mal keine Chance mehr.
Ich mochte ihn eh nicht, jedenfalls nicht seine Dumme-Jungen-Art, auf Teufel komm raus zu provozieren. Das ist pubertär. Haben Sie seine Finger gesehen? Die hat er sich tätowieren lassen, wie dieser Schweinepriester in Laughtons
Nacht des Jägers
. Wenn er die Faust ballte, kam aus den Buchstaben auf der rechten Seite
hate
und links dann
love
heraus. Die Faust Gottes. Liebe und Hass. Und bei Lars? Eine Doppelfaust.
Fuck you
. Sehr originell.
Da mag er uns noch so sehr sagen: Dänemark, da steckt dir der Protestantismus in den Knochen, bis du ihn nicht mehr von Krebs unterscheiden kannst, da jagen sie dir die Beweise für freie Gesellschaft und Glück und Selbstbestimmung und so weiter und so fort immer wie ein freies Methadonprojekt in die Birne, aber eigentlich ist das alles Bigotterie. Wenn du nicht so bist wie wir, wie die Gesellschaft, was bleibt dir dann? Der Strick? Der Scheiterhaufen, das Zunähen der Genitalien? Gute Themen eigentlich, nur scheitert von Trier immer. Na ja, nicht bei
Dogville
mit der Kidman und auch nicht bei
Manderlay
, und die frühen Filme,
Europa
und
Element of crime
zum Beispiel, die haben wirklich was.
Wussten Sie, dass die Dänen nach Umfragen der UN von allen Menschen die glücklichsten auf der Welt sind? Wirklich, habe ich neulich gelesen, und es gab auch so einen komischen
Arte
-Film dazu, man hat ja Zeit, wenn man in meinem Alter ist, krank und schlaflos und ohne Familie. Ja, so glücklich sind diese Dänen, dass sie die Grenzen wieder dichtmachen und sich Lars von Trier zum Nationalregisseur auserkoren haben. Aber lassen Sie mich nicht unfair sein.»
Der Interviewer hatte endlich die SüÃigkeit verputzt und den ganzen cremig-krümeligen Restbestand in seinem Mund mit einem Schluck Tee heruntergespült. Er würde das Gespräch irgendwann wieder auf den aktuellen Film lenken müssen, war das mit Trier nicht zu starker Tobak? Konnte er das bringen, den wutschnaubenden, alles zerreiÃenden Hasser? Er musste behutsam sein, mit seinen Fragen steuern, aber noch nicht jetzt. Jetzt war die Zeit des Zorns. Er konnte die Adern im Gesicht des alten Mannes sehen.
«Er ist vielleicht der beste Regisseur in der Off-Szene, ja. Aber was heiÃt das schon. Erinnern Sie sich an
Breaking the Waves
? Nicht übersetzen, das stand doch damals überall in den deutschen Kinos, die sich durchgehend für Originalversionen einsetzten, oder? Hat nicht geholfen, den Kinos nicht, den Zuschauern nicht, die sich heute wieder überall diese albernen Synchronsprecher anhören müssen, und Lars von Trier erst recht nicht â aber so einem Film wie
Breaking the Waves
, dem konnte man sowieso nicht helfen. Schmierig, traurig, wahnsinnig deprimierend â und der Sex war nicht mal sexy. Und dann kam ja noch dieser Björk-Film â larmoyant, höchstens der Soundtrack taugte da was, und jetzt in
Melancholia
die Sterne als Metapher für Depression einzusetzen und die gute Kirsten Dunst zu verheizen, das kann jeder, der ein bisschen an deutscher Romantik verzweifelt ist.
Und jetzt trommelt der von Trier hier, er könne Hitler verstehen. Der hat sie doch nicht mehr alle.»
Der Interviewer zog sein Päckchen Camel aus der Tasche, fummelte ein Plastikfeuerzeug aus der Packung und suchte mit den Augen nach einem Aschenbecher. «Sie haben das
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