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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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einem französischen Hotel eine ordentliche Tasse Tee zu bekommen. Sehen Sie sich das an: feinstes Limoges-Porzellan, elfenbeinfarbenes Art déco, jede Kante, jede Ecke geschliffen wie die geschürzten Lippen und die Augenbrauen dieses Kellnerflegels, der mich fragt, was ich denn noch wolle, er habe mir den Tee doch vor einer Viertelstunde gebracht. Ja, sage ich ihm, eben. Und er hat tatsächlich frisch gepresste Zitrone in einem wunderschönen Silberkännchen dabei, eine
religieuse
für Sie, Backwerk wie kleine Schlösser – Sie mögen doch Puddingfüllung? – und echte Leinenservietten.Nur der Tee, haben Sie gesehen, wie er mit dem wieder abgezogen ist? Als hätte ich ihm auf die Schuhe gewichst. Er hat ihn dringelassen, er hatte ihn schon in der Kanne, als er hereinkam, er hat sich nicht ein Mal die Mühe gemacht, mir zu sagen, wie lang der Tee schon gezogen hat, nein, er hat nicht einmal gefragt, ob er das Sieb herausnehmen soll, oder ob ich das in einer halben, einer ganzen, oder in wie viel Minuten auch immer selber machen wolle. Ist das Service? Ist das Cannes?»
    Der Interviewer bemerkte, dass es nach Eisenkraut roch, und wollte gerade hinzufügen, wie sehr ihn das doch an Proust erinnere, da winkte der Produzent wieder ab und redete weiter.
    Â«Nun gut, bei
verveine
ist das nicht ganz so entscheidend, da haben Sie recht. Aber im Land von Proust auf solche Ignoranz zu stoßen ist schon ein starkes Stück, finden Sie nicht? Wenn Ralph hier gewesen wäre, dann hätte dieser Franzacke aber mal was erleben können. Ralph hätte ihn aus dem Anzug gestoßen … aber nun gut … von wegen, was ich denn will. Unglaublich. Als hätte ich ihn aus Schikane nach einer neuen Kanne geschickt.»
    Der Hüne musste also kurz nach seinem Anruf vor einer halben Stunde die Suite verlassen haben. Durch die Vorderhalle war er nicht gegangen, das hätte der Interviewer gesehen. Vermutlich gab es in einem so großen Hotel mehrere Seiten- und Nebenausgänge. Er fragte sich, ob Ralph wohl auf eine besondere Besorgungstour geschickt worden war, oder ob der Produzent bemerkt hatte, dass sich der Interviewer das letzte Mal fast ein wenig eingeschüchtert von diesem merkwürdigen Mann mit den Handschuhen gefühlt hatte.
    Â«Ich finde Frankreich vulgär. Alles nur äußerlich. Das Essen, die Kleidung, der Sex. Diese Besessenheit, alles mit Witz und Eleganz zu machen, dieser Anspruch an die Kultur. Immer mit erhobenem Zeigefinger, mit
donc
und
mais
, als wären sie alle, noch der kleinste Radiomoderator, Experten der Haute Cuisine. Nur, weil sie ihre eigene beschissene Sprache beherrschen, fühlen sie sich wie kleine Minipicassos oder Operndirigenten. Nein, nein. Die französische Musik ist medioker, die Küche von der Grundlage her italienisch, durch das dauernde Verfeinern keinen Deut besser geworden, und der Film stagniert. Die ganze Zeit Pseudoromanzen, Historienklamauk oder François Ozon. Okay, den lass ich gelten. Der kann was. Aber die Sprache, auf deren Schönheit sie sich so viel einbilden, ha, da ist ja selbst Portugiesisch noch schöner mit seinen
maisch
und
lingas.
Die klingen hier alle, als hätte sie ein Frosch gefickt. Als hätten sie Lollistile im Arsch und wagten es nur nicht, sich in aller Öffentlichkeit zu kratzen. Und diese Arroganz! Cannes, Cannes, ja, und wedeln mit dem Finger und schürzen die Lippen wie die letzten Großkopferten, als würden sie
cültüre
schlürfen wie ihre ewigen Austern. Cancan kenne ich, und das ist auch schon so alt und nuttig, ach verstehen Sie, ich will nur noch weg von hier, es widert mich an. Nein, Sie nicht, bleiben Sie, verzeihen Sie mir meinen Ausbruch, es ist dieses Jahr aber auch wirklich zu viel. Nehmen Sie einen Bissen von der
religieuse …
Der lässt uns auf den Tee jetzt extra warten. Waren Sie gestern bei der Konferenz dabei?»
    Mit vollem Mund, er hatte unvorsichtigerweise den Kopf der
religieuse
abgebissen, die bittersüße Mokkafüllung zog ihm die Schleimhaut zusammen, schüttelte der Interviewer den Kopf.
    Â«Schade! Hatten Sie keine Akkreditierung? Sagen Sie nächstes Mal doch Bescheid. Hier klatschen sie ja sogar, wenn ein Filmemacher wie Lars von Trier mal wieder seine Eskapaden zelebriert. Haben Sie ihn vorher gemocht?»
    Der Interviewer schluckte, so viel er konnte, und murmelte «Riget» durch den Rest

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