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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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geworden.›
    Ich werde Ihnen nicht sagen, was für ein Film das gewesen ist. Den finden Sie heute nur noch in Spezialschmuddelecken. Einer dieser typischen Thriller der Siebziger, mit exotischen Schauplätzen, verborgenen Nazischätzen, und dramaturgisch rasantes Schema F: Training der Helden, Kumpelfreundschaft, zwei, drei Softpornostellen, Rivalitäten, Verrat und dann Klimax mit großem, explosivem Finale. Ich habe ihn fertiggestellt. Und er war nicht mal schlecht. Alan Smithee stand dann unter Regie, ein Anagramm für
The Alias Men
, unser Branchencode für von einem zweiten Regisseur übernommene Filme, der nicht genannt werden wollte, so als hätte er hier keine Handschrift. Aber ich hatte eine. Sie hieß Enthusiasmus, es war nicht die schlechteste für einen Anfänger. Ich hätte meinen Namen gern im Vorspann, im Abspann und auf den Kinoplakaten gesehen. Viele Regisseure lernen mit B-Filmen. Und ich lernte schnell. Wir bauten sogar die Drogentote mit ein, die Heldin, das Starlet, das starb. Das rettete unglaublich viel fertig gedrehtes Material. Ich war vollkommen in Trance. Überwältigt von der Atmosphäre des Sets, den Leuten um mich rum, die nur darauf warteten, dass ich Ihnen sagen würde, was sie tun sollten, den Schauspielern, die auf meine Kommentare zu ihren Figuren hofften, damit sie sich ‹in die Situation› versetzen konnten. Ich habe den letzten Scheiß erzählt, aus dem Bauch heraus, aber ich war angefixt. Ich war high, nur vom Dreh, von der Möglichkeit, etwas mit den Leuten zu machen, irgendeinen Gesichtsausdruck hervorzuzaubern, den nur ich sah und für den Moment angemessen hielt. Ich gebe zu, ohne Gillians Plotter-Genie und Angela, die den Schnitt mit mir machte, wär der Film eine lächerliche Angelegenheit geworden. Inder Schnittlogik denken, das konnte mein Vater, das konnte ich damals nicht. Ich erinnere mich genau. Josie und ich hatten uns eine Zeit lang kaum gesehen, dann flog sie nach Mexiko, wo wir die meisten Szenen von
Dschungel des Grauens
drehten, an dem Wochenende des Totenfestes. Sie können sich das gar nicht vorstellen, das ist ein wilder, morbider Taumel. Und wenn Sie jung sind und high, wenn Sie das Abenteuer lieben, dann tun Sie Dinge, die Sie nie für möglich gehalten hätten. Wir hatten die Dreharbeiten für die Fiesta unterbrochen; die Mexikaner hätten sonst wohl auch den Aufstand geprobt. Die ersten zwei Tage, so kam es uns vor, haben wir nur gevögelt, gegessen und gesprochen, und als wir dann genug voneinander hatten, gingen wir aus. Die Friedhöfe waren voller Menschen, überall leuchteten Kerzen, es gab Musik, Scherze, ja, die Leuten aßen und tranken neben den Gräbern. An jeder Straßenecke hingen Gerippe aus Plastik, die Kinder aßen Schädel aus Zucker, auf denen Diego oder Juanita oder sonst ein gängiger Name stand. Es war heiß, Schwitzen macht etwas Eigentümliches mit dem Körper – er treibt das Ich aus einem heraus. Das ist etwas Tierisches, Animalisches, das man wird. Wir rochen nach Sex. Als wir in diese Kneipe kamen, mein Gott, da war mehr los als im
Titty Twister
von Tarantino. Es gab noch ein Touristenpärchen, Hannah und August, die waren aus Boston und für das Fest der Toten hier. Hannah hatte sich schon, voll wie eine Haubitze, zum Knutschen auf die Tanzfläche mit einem schlanken Jungen in schwarzsilberner Jeanskluft zurückgezogen, was Josie ziemlich anmachte. Mich machte August an, der sah so verzweifelt aus, wie seine Frau immer geiler wurde, sich das Bein von dem Mexikaner zwischen die Schenkel schieben ließ, auf der vollgepumpten Tanzfläche lagen auch noch andere Hände auf ihrem Arsch, und er schien gleich losschreien zu wollen. Aber Josie hielt ihn davon ab. Sie tanztean die beiden ran und löste die Frau aus Boston aus dem Schraubstock aus Armen, Mund und Beinen und küsste sie ihrerseits. Der schwarze Jeanscowboy fing sofort an, beide zu befummeln, und Josie küsste auch ihn. Mann, hatte ich damals einen Pflock in der Hose. August merkte das nicht, aber als ich ihm sagte, ‹Komm, lass uns die Mädels da rausholen›, ließ er sich sofort von mir auf die Tanzfläche ziehen. Es dauerte Minuten, bis wir uns zu den dreien durchgekämpft hatten, zumal auch andere mexikanische Männer, in der Hoffnung auf eine Gringo-Orgie, sich inzwischen wie Polypen mit ihren Fangarmen oben und unten an unseren Frauen

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