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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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und schrie, dass ich nicht wusste, wie ich aus diesem Keller herausgekommen war, dass ich mich nur an Gerüche und Schreie erinnerte, aber nicht an meine Mutter, nur an diese verfluchten Schreie von verbrennenden Frauen, alten Leuten und Kindern. Ich habe damals zum ersten Mal über das alles weinen können, mit Anfang dreißig. Das war vielleicht die Richtung, in die mein Leben sich hätte weiterbewegen müssen, jedenfalls tat sich vor mir eine bis dahin unbekannte Passage auf. Und Josie hat mich geführt.»
    Der alte Mann unterbrach sich und sah das Heft an.
    Â«Wechsler bot mir nicht nur einen Job an. Er bot mir auch seine Tochter an. ‹Wenn Du sie heiraten willst, dann tu’s bald. Sie ist reif.› Er meinte, er würde gern Enkelkinder sehen. Seine Frau hatte sich erschossen, mit einer von Wechslers alten Armeepistolen, die er einfach so, ohne besonderen Grund, aufgehoben hatte. Josie war damals fünfzehn. Ich weiß nicht, was er meinte, vielleicht, dass unsere Begegnung, dadurch, dass Josie mir ihre und ich Josie wirklich meine Wunden zeigte, sie aus diesem Stadium des ewigen Teenagerdasein herauszuholen begann, in dem sie gefangen schien. Es war mir nicht aufgefallen, ’74 waren alle Leute, die nicht in Vietnam waren, entweder konservativ oder kindisch.
    Alles lief gut, ich zog zu den Wechslers, die ein riesiges Anwesen gleich oberhalb von West Hollywood besaßen, Wechsler behandelte mich wie einen Sohn, brachte mir Tricks bei, Finanzstrategien, kreative Budgetplanungen, vor allem aber stellte er mich Leuten vor, die schon von mir gehört hatten,
Mister Campaign
, aber nun, als Wechslers Protegé, bekam ich meinen Eintritt in die wirklichen Zirkel. Josie und ich waren glücklich, ich hatte ihr nichts von Jane erzählt, aber ich beruhigte mich damit, dass ich alles in die Wege leiten würde, um mich scheiden zu lassen, wenn die Sache zwischen Josie und mir noch offizieller werden würde. Ich wollte das im Stillen machen, verstehen Sie? Nach einer Weile dachte ich überhaupt nicht mehr daran. Wann immer ich so etwas wie eine Verlobung andeutete, sagte Josie: ‹Sch, Darling, es ist alles gut, so, wie es ist.› Und sie meinte das wohl auch ernst.
    Als unser erster Herbst kam – der Herbst ist in Kalifornien eine schöne Angelegenheit, dieses Rot und Gelb der Bäume, die Weinstöcke im Valley –, gab es ein Erdbeben.Der halbe Laurel Canyon war danach von Erdrutschen bedroht, ein paar der Studios hatten etwas abgekriegt, in den Schwarzenvierteln in Watts brodelte es, weil die Stadt die zerrissenen Wasserleitungen und die umgestürzten Telefonleitungen monatelang ignorierte. Alles in allem war es aber nicht das seit Jahren erwartete ‹Große Beben› gewesen.
    â€¹Das wird noch kommen›, sagte Wechsler und sah uns an. Und Josie erwiderte mit einem Lachen: ‹Das hast du bei den letzten zweien auch schon gesagt.› Ich war glücklich.
    United Artists drehte damals gerade
Dschungel des Grauens
, Gregory La Cava sollte Regie führen. Er war ein bekannter Homo, schlief aber auch gern mit seinen Sternchen, das war fast eine Masche: Er suchte sich eine Schauspielerin aus dem ungeheuren Heer der Casting-Träumer aus, immerhin, guten Geschmack und sogar einen Riecher für das Theatralische hatte er, füllte sie ab, erst mit Gedanken an Ruhm, dann mit Geld, dann mit Speed, dann mit sich selbst und schließlich mit dem weißen Zauberschleim aus einer seiner neuen Spritzen, Heroin, das kam gerade als Welle rübergeschwappt aus Laos und Vietnam. Jedenfalls hatte er sich und seiner Auserwählten einen zu reinen Stoff genehmigt. Und der Film hatte nicht nur seine Hauptdarstellerin, sondern auch seinen Regisseur verloren, und die Presseabteilung stand durch die Ermittlungen vor einem PR-Desaster. Nun, La Cava war keine große Nummer, eher einer der guten unsichtbaren Hollywood-Standard-Handwerker. Wechsler nahm mich beiseite. ‹Das ist ein Fiasko! Niemand will sich die Finger verbrennen und in den Film einsteigen, keiner von den Regisseuren, die wir unter Vertrag haben, und erst recht keiner von den Stars. Wir haben zu viel Geld in dem Film. Kannst du ihn zu Ende drehen? Muss nichts Großartiges werden, nur ein irgendwie sauber auserzählter Film, ich gebe dir Gillian an dieSeite, der hat für uns schon mal mitten am Set ein Drehbuch komplett umgeschrieben und es ist noch was Brauchbares draus

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