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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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Einzige, was ich in meinem Todestrip mitkriegte: ‹Das ist deine letzte, deine einzige Chance. Ich und meine Tochter, wir wollen dich nie wieder sehen.›
    Er war enttäuscht, für ihn war ich so was wie ein Sohn gewesen. Und Josie, O Gott, Josie. Sie fehlt mir noch heute. Ich habe es verbockt. So richtig verbockt.
    Als ich nach drei Tagen mit Krämpfen im Bauch und Zittern in den Armen aufwachte, schwor ich mir, dass ich büßen würde. Büßen, dafür, dass ich meiner Frau etwas angetan hatte, was man einer Frau nicht hätte antun dürfen: sie ignorieren.
    Ich hatte sie ignoriert. Es lief nicht, ich war von New York nach Hollywood weitergezogen, hatte sie sitzen gelassen, so wie mein Vater früher einfach in den Krieg gezogen war, mit seiner Kamera. Ich weiß, ich weiß, schlechte Analogie. Mir fällt nichts Besseres ein. Es fällt mir schwer genug, Ihnen überhaupt etwas davon zu erzählen. Und jetzt geht das ja raus. Mit Ihnen geht das raus in die Welt. Das wird jetzt mein Makel sein, verstehen Sie? Meine Geschichte, die, an die man sich erinnert, wenn man sich an mich erinnert. Jane war aus meinem Gesichtsfeld verschwunden, aber ich hatte ihr meinen Samen gelassen, und dieser Samen ging auf, er wurde in den drei Jahren, in denen ich Hollywood erobernwollte, ein Sohn, den ich nie sah. Nie leben sah. Ich hatte ihr Herz gebrochen, Janes, dann Josies, dann Wechslers Herz. Ob man einem Dreijährigen mit Hernie, der einen nie zu Gesicht bekam, das Herz brechen konnte, weiß ich nicht. Aber ich beschloss danach, selbst keines mehr zu haben.
    Die Rehabilitation dauerte lange. Erst in der Klinik und dann auf dem Land. Die Ärzte hatten rausgekriegt, wer ich war. Sie wollten mir wohl so etwas wie Lebensmut einhauchen. Ehrlich gesagt, glaube ich, sie waren verzweifelt, weil keine Ihrer Mal-, Matsch-, Bet- oder Gesprächstherapien bei mir anschlug. Ich wollte sterben, und ich sagte ihnen das auch, was für einen Sinn hatte das Ganze noch?
    Dr. Pears schickte mich dann nach ein paar Monaten raus, um in den Community Colleges der Umgebung ein paar Abende lang Vorträge über Filme zu halten. Das sollte mich aufheitern, sagte er. Ich weiß zwar bis heute nicht, was er damit meinte, aber tatsächlich brachte mich das Sprechen vor jungen Leuten auf andere Gedanken. Und das war es auch, was Doktor Pears dann schließlich veranlasste, einen alten Gefallen bei einem Zimmergenossen einzufordern, der jetzt Dekan auf der anderen Seite des Flusses am Bard College war. Bard war damals eins dieser wilden Liberal Arts Colleges, Drogen waren normal, Sex mit der Faculty war normal, Ginsberg hatte hier kurz gelehrt, wohl eher seine Beine untergeschlagen, Ommm gehaucht und die Meute in Tantraorgien des Geistes geführt, er habe die Studenten geöffnet, sagte ein anderer Dichter mit Schnauzbart, der damals dabei gewesen war, und bekam immer einen Silberblick. Das dritte Auge am Arsch!
    Jedenfalls ging damals alles. Und ich unterschrieb, nur um von Dr. Pears und den Gesprächsmethoden wegzukommen, einen Vertrag, verzog für zwei Jahre, ohne es irgendjemanden wissen zu lassen. Zwei Jahre Upstate New York!Da, wo sich Wölfe, Schwarzbären und karrieregeile Althippies gute Nacht sagten, eine Zeit lang ihren Woodstock-und-Ginsberg-Traum träumten, von freier Liebe und einem anderen Amerika, dem Untergrund-Amerika, das es an den Colleges auch nur als Inszenierung gab, die Orgie des Gewöhnlichen, gespielt als pubertärer Ausbruch. Ich sollte Film unterrichten, auch Geschichte des Films, um genau zu sein, das war zumindest das, wofür das College mich angestellt hatte. Und da traf ich dann Ralph.
    Es ist nicht leicht, plötzlich über Dinge zu sprechen, die Sie am liebsten selbst tun würden, vor ein paar Monaten sogar noch selbst getan haben. Schnitt, die richtige Einstellung, das Verfassen von Drehbüchern, der Umgang mit Sets, Licht und Kamera. Wenn Sie einmal Blut geleckt haben, und das hatte ich ja, in großen Portionen, das Geld, die Macht und, dank Wechslers, ja auch die kurze Zeit des Machens, dann fällt es sehr schwer, diesen Geschmack wieder zu vergessen. Ich war wie ausgetrocknet in den ersten Tagen, das Semester fing an, ich hatte eine große Dachbude über einer ehemaligen presbyterianischen Kirche in einem kleinen Ort drei Meilen vom Campus, unten, im ehemaligen Kirchensaal, versuchte ein hipper New Yorker eine Mischung aus

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