Traeumer und Suender
Tür immer Angst gemacht hatten. Aber jetzt klang sie, als hätte sie den Beweis für ihre Furcht angetreten.
â¹Ich habe dem Kleinen von dir erzählt. Er hat einen Vater, der ihn im Himmel besuchen wird.âº
â¹Jane!âº
â¹Einen Vater, den er hier nicht wiedersehen wird.âº
â¹Jane, ich komme mit der ersten Maschine. Was hast du genommen? Wo bist du?âº
Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich noch irgendeine Nummer oder wenigstens den Namen einer ihrer Freundinnen hatte.
â¹Ich liebe dich. Ich hab dich immer geliebt. Das musst du mir glauben. Ich leg jetzt auf.âº
â¹Nein, Jane, leg nicht auf. Ist das wirklich wahr, haben wir einen Sohn?âº
â¹Du Schwein. Ich wollte doch immer ein Kind mit dir. Und du bist nicht mehr gekommen. Nie mehr.âº
â¹Jane, ich, bitte.âº
â¹Leb wohl.âº
Dann klickte es, und der lange durchdringende Ton verband sich mit den sich spiegelnden Lichtwellen des Pools auf den riesigen Panoramafenstern von Wechslers Haus.
Ich rief die Polizei in New York an. Zwei Stunden später fand man sie. Und den Jungen.»
Der alte Mann schien für einen Augenblick vollkommen in seiner Erinnerung gefangen. Velder wagte kaum, sich zu bewegen. Seine Augen, seine Schläfen, die Haut über den Wangenknochen, alles fühlte sich mit einem Mal bleischwer an, als würde ihm sein Gesicht wegschmelzen. «Was geschah dann?», fragte er heiser.
«Ja, das ist starker Tobak gewesen. Ich weià auch nicht, wie ich Ihnen das sagen soll. Ich schmiss alles. Ich flog nach New York zu der Beerdigung. Niemand beschimpfte mich da, meine Schwiegermutter hing weinend an mir und sagte nur immer â¹O Gott, Junge, O Gott, womit haben wir das verdient.⺠Aber ich wusste irgendwie, womit ich es verdient hatte. Es war Hybris. Die Hybris, die Amerika austeilt wie eine Eintrittskarte und die einen von einer Ecke des Landesin die nächste, von Gelegenheit zu Gelegenheit treibt, das ewige Chancengrab.
Jemand anderes machte den Film fertig, am Schneidetisch. Der falsche Name konnte bleiben. Man machte das, ohne mich zu fragen.
Wechsler versuchte, mich zu finden, er schickte sogar einen Detektiv nach mir aus. Als der mich gefunden hatte, unter Umständen, die ich Ihnen irgendwann noch erzählen möchte, flog Wechsler sofort an die Ostküste. Aber es war zu spät. Wechsler wusste inzwischen das mit dem Kind und mit meiner Frau. Die Presse hat damals merkwürdigerweise nichts davon mitbekommen, ich war noch zu jung und operierte unterhalb des Hollywoodradars, weil ich ja bloà als Aliasmann unter dem Film stand und der auch nicht besonders erfolgreich lief â Wechsler hatte wohl nicht mehr allzu viel für die Werbung ausgeben nach meinem Abgang.
Josie, Josie sah ich nie wieder. Aber warten Sie. Meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Ich hatte Angst, vielleicht das erste Mal in meinem Leben. Ich hatte keine Angst gehabt, als es darum ging, den groÃen Bossen zu sagen, dass Lucas, auch wenn ich ihn selbst nicht mochte, ein Erfolg wird. Ich hatte keine Angst, als Wechsler mich fragte, selbst einen Film zu machen. Wovor ich nun Angst hatte, war, nie wieder aufzuwachen, ohne das Gesicht meines toten Jungen zu sehen, von dem ich nichts gewusst hatte, der nie in meinen Armen gelacht, mich angelallt oder geweint hatte. Ich kannte ihn nur als dieses tote, starre, kleine, weiÃe Wesen in einem Zinksarg. Irgendjemand hatte ihm einen Anzug verpasst. Eine Kinderleiche im Anzug, was gibt es Schrecklicheres. Die rote Krawatte, das gestärkte Hemd mit dem Haifischkragen. Wie zu einer Hochzeit. Als hätte man das alles ausgesucht, um mir zu sagen, sieh mal, das hätte er irgendwann sein können, ein junger Mann, der fest entschlossen ist, einmal berühmt und erfolgreich zu werden. EinKind, eingesperrt in der Zeit. Das sah ich jeden Morgen vor mir. Im Drogenrausch, beim Kotzen in einer Bar. Wenn ich spritzte, fickte, kiffte. Sein Gesicht verschwand niemals.
Irgendwann hörte ich einfach auf zu schlafen. Als zwei Freunde mich mit einer Spritze im Arm auf dem Klo einer dieser schmierigen Spelunken in der Lower Eastside fanden â ich zirkelte alle Kneipen rund um den Thompkins Square ab, als wollte ich mich meiner Frau und meinem toten Kind in einer Todesspirale nähern â, lieÃen sie mich in eine Klinik in den Catskills einweisen. Wechsler hat das bezahlt. Ich bin ihm sehr dankbar. Er sagte, und das war das
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