Traeumer und Suender
sie alle über Lautsprecher mithören konnten. Der Interviewer war sich nicht mehr sicher gewesen, was da eigentlich abging, reiner Wahnsinn oder pure Verblüffungstaktik?
Im Nachhinein kam es ihm atemberaubend vor. Alle, das ganze internationale Konsortium hinter
Gleiwitz
, war binnenMinuten an den Apparaten. De Laurentiis, «nein nicht Dino, sein Neffe, Aurelio aus Neapel, der hat nicht nur ein kleines Imperium von Muliplexen, sondern auch ein gar nicht so schlechtes Händchen für FuÃball, wissen Sie, wo sein SSC jetzt steht? Oben, fast ganz oben», flüsterte ihm der alte Mann hinter vorgehaltener Hand ins Ohr. Der Interviewer konnte sich nicht helfen, er hatte das Gefühl, dass der alte Mann die Rolle genoss, Zentrum eines Dramas zu sein. Jedenfalls sprach De Laurentiis mit einem Mann mit russischem Akzent, «Mosfilm», zwinkerte ihm der Produzent zu, dann schaltete sich eine unterkühlte Technokratenstimme ein, sie verhandelten über eine neue Kreditlinie bei der Banca dâItalia. Laurentiis sagte zu, sofort einen
letter of intent
zu faxen, wenn die Römer einen Teil ihrer Zusagen hier und jetzt einhielten, die Frau in dem bunten Kostüm stand kurz auf, trat ans Fenster und telefonierte in der Ecke mit einem Handy. Dann beendete sie das Gespräch und nickte den anderen zu.
Die komplette Besetzung wurde zugesagt, allerdings, beim besten Willen, erst für Dezember, das Equipment, die Staffage, die Mannschaft, es sei jetzt etwas Politisches, sie müssten das verstehen. Sie könnten jetzt nicht. Eine hektische, sich überschlagende Stimme, «der Anwalt von der Kidman», hatte der alte Mann ihm wieder zugeflüstert, krakeelte «Vertragsbruch, Vertragsbruch» vor sich hin, dann schaltete sich der Produzent selber ein, sagte, die soll erst mal einkaufen gehen, jemand wird der Frau Kidman Rom zeigen, das richtige Rom, er würde es ja selber tun, aber er säÃe bedauerlicherweise wieder im Rollstuhl, mittlerweile, aber die Römer hier wären geehrt, ja glücklich, sich um Frau Kidman zu kümmern, auch wenn sie im Winter wiederkäme, der Bürgermeister gäbe ihr zu Ehren, dabei zog er die Augenbrauen fragend in Richtung der bunten Kostümfrau, die nickte, einen Empfang; er sprach ruhig weiter,sagte, sie solle doch erst einmal ankommen, bevor sie einen Fehler mache und alles hinwürfe. Ja, inzwischen würden sie eben noch mal versuchen, die AuÃenaufnahmen in Polen zu machen, das Wetter wäre ja gar nicht mehr so schlimm, schlieÃlich seien sie mit dem Zeitplan eh ziemlich durcheinander. Natürlich mache das alles wiederum teurer, die Truppe müsse wieder umziehen, und, ja, er wisse auch noch nicht, wie er ihnen allen Katowice noch einmal schmackhaft machen könne, aber wenn es nicht regnete, sehe die Stadt eben auch nicht mehr aus wie der graue Beweis für die Todesqualen des Sozialismus. Und, ja, er solle Frau Kidman doch sagen, dass er sie erst mal hier in Rom in ein Hotel ihrer Wahl einquartieren lasse und dass man alles tun werde, dass sie im Dezember auch wirklich könne, er, der Anwalt möge doch dafür sorgen, dass sie nicht zickt. Oder wäre das nur eine Geldfrage? Ein kleines Pokerspiel? Nein, nein, er deute nichts an, gut, sie wären sich also einig?
Der Interviewer hatte sich von dem Ganzen einfach nur überfahren gefühlt. Er hatte nicht einmal sein Gerät ausgepackt, nichts mitlaufen lassen. Der alte Mann summte nach seinem Ausbruch und der Einigung, die sie mit einem Champagner beschlossen, auch von der sternförmigen Telefonanlage mit der Freisprechfunktion her klangen die Gläser, nur vor sich hin. Er sagte Velder, dass er gar nicht erst ins Hotelzimmer einchecken und auspacken solle, sie führen jetzt sofort noch nach Ferrara; als hätte ihn das ganze Gebrüll nicht mehr gekratzt als ein Insektenstich.
«Solange die alte Pumpe es noch tut», sagte der alte Mann und schlug sich an die Brust, «wird es diesen Film auch geben.»
Selbst als der Interviewer ihn darauf hinwies, dass er vielleicht die Kidman beschwichtig hatte, aber doch nun ohne Regisseur dastünde, hatte der Produzent abgewinkt. «Ridley»,hatte er gesagt, «ach der, geben sie dem ein paar Tage in London, dann hat der sich abreagiert. Ich habe das ganze Team bereits angewiesen, Rom wieder aufzulösen. Es geht nach Gleiwitz. Wir fangen mit den AuÃenaufnahmen vor Ort an. Und in Kattowitz gibt es an
Weitere Kostenlose Bücher