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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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nicht da war, sie es ihnen nicht gemütlich machte, sondern ihn einfach nur in Ruhe ließ. Ab und zu mit ihr Essen zu gehen oder ins Kino, okay, Sex haben, ja gut, aber den hätte er auch einfacher haben können, unten im Haus, mit der Nachbarin.
    Egal, er hatte sie nicht mitgenommen, Gott sei Dank. Er war wirklich mit klopfendem Herzen geflogen. Ridley Scott! Den hatte er nur flüchtig bei der als Ortsbegehung geplanten Wasserschlacht in Gleiwitz getroffen. Mehr als ein paar Flüche, ein gemeinsames bedauerndes Grinsen und schlechte Witze waren da nicht drin gewesen. Aber jetzt in Rom: ein richtiges, großes Set. Und immer wieder hatte ihm der Produzent gesagt, dass er sich für seine Kommentare, seine einfälle bedanke, es habe ihn weitergebracht, mal einen unabhängigen, frischen Blick auf das ganze Kuddelmuddel werfen zu lassen. Das war doch was. Er fühlte sich als Teil des Ganzen, nicht nur geschmeichelt. Und dann war er angekommen. In Rom. Allein. Und alles kam anders.
    Sie waren sofort zu den Studios der Cinecittà gefahren. Der Komplex lag in einem südöstlichen Vorort an der Via Tuscolana, deren Eingang noch die seltsam einladenden rationalen Züge faschistischer Architektur der Mussolinizeit zierten. Dem Interviewer erschienen diese Gebäude mit ihren modernistischen Linien und den Pastelltönen immer wie Erinnerungen sehr sachlich zeichnender Kinder, die ihre Gedanken an die Zukunft aus Sonnenurlauben in Pinienhainen speisten, ganz anders als die bedrückende dunkle Riesenarchitektur Albert Speers und Adolf Hitlers. Aber als er dem alten Mann diese Beobachtung mitteilen wollte, winkte der ab und sagte angespannt: «Wir sind da.»
    Sie betraten das Gebäude. Der Interviewer war einen Moment lang unschlüssig gewesen, ob er sein Gepäck in der Limousine lassen sollte, nahm aber, auf die ungeduldige Aufforderung des Produzenten hin, der schon die Tür aufgestoßenhatte, nur die Tasche mit den Aufnahmegeräten und dem Notebook aus dem Kofferraum. Sie gingen eine Doppeltreppe hinauf, der Terrazzobelag klackerte unter ihren Sohlen militärisch. Eine verwirrende Zahl von Gängen, Fluchten und Ecken später schritten sie in einen lichten Konferenzraum, in dem sie eine schweigende, teilweise vor sich hin rauchende Gruppe erwartete.
    Ralph, der in einem dunkelblauen, gut geschnittenen Anzug zugleich wuchtig wie ein Barbar aus einem Sandalenfilm und zielstrebig wie ein Bankmanager aussah, erhob sich.
    Â«Wo ist Ridley?», fragte der alte Mann.
    Â«Er hat geschrien», antwortete der Hüne. Der Produzent nickte, so als wäre das genug Information. Ridley Scotts Schreien. Als stecke in diesem Wort ein ganzes Geschehen. Ridley war offensichtlich nicht mehr da, nur die Erinnerung an seinen Schrei.
    Â«Sie ziehen die Zuschüsse zurück. Sie sagen, die derzeitige Haushaltslage lässt nichts anderes zu.» Ralph sprach sein amerikanisch eingefärbtes Deutsch. Die vier Technokraten auf der anderen Seite des Tisches schienen diese Sprache nicht zu verstehen. Bis auf die Übersetzerin, jedenfalls hielt der Interviewer die füllige Frau in den farbenfrohen, teuer aussehenden Klamotten nicht für eine Politikerin. Trug sie Etro? Missoni? Melanie hätte es gewusst, wahrscheinlich hätte auch der Produzent es ihm sagen können, aber der war fast verkrampft.
    Â«Ich habe gesagt, er soll auf dich warten. Du würdest das regeln. Aber er hat nicht gewartet.»
    Der Rauch der Italiener zog in Schwaden über die Fensterbänke vor den Thermopanescheiben, von denen Ralph, der auf die andere Seite des Konferenztisches getreten war, jetzt eines aufkippte. Schwiegermutterzungen schnitten mit ihren scharfen Blättern das Licht in grüngelbe Streifen, derInterviewer konnte die Gesichter der «Partner», wie sie bis jetzt in der Diktion des Produzenten immer geheißen hatten, nicht genau ausmachen. Nun ja, vielleicht waren sie auch längst keine Partner mehr, die Bürgermeister, Stadträte, Assistentin, wer auch immer. Ihre Blicke waren auf den alten Mann gerichtet, der nun erst zögernd, dann immer schneller, in mal einander ablösender, dann überschlagender Weise von den Männern – und Ralph – erzählt bekam, wie es zu Ridleys Ausbruch gekommen war. Nur die Frau schwieg die ganze Zeit.
    Zigaretten wurden ausgedrückt, neue entzündet, ein hektisches Wedeln wirbelte den Rauch durcheinander, da gab es

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