Traeumer und Suender
der Filmhochschule ein altes feines Studio, KieÅlowski hat das gestiftet. Da können wir rein. Wir müssen jetzt sehen, was wir an Equipment, Kulissen und Kostümen verladen bekommen, die Leute umbuchen, dann gehtâs Richtung Osten.»
«Aber Scott hat doch gesagt, man könne nicht einfach alles noch mal wieder so umwerfen.»
Schulter zuckend hatte der Produzent hinzugesetzt: «Dann nehmen wir einen anderen.»
Es hatte sich dann doch gefügt. Der Produzent bekam den Anruf noch im Maserati. Ridley, der sich vom Flughafen aus entschuldigte, er habe das nicht so gemeint, er würde sich jetzt erst mal ein paar Tage Auszeit nehmen in London, vielleicht die Musik durchgehen für den Score, auch wenn natürlich erst ein paar Szenen gedreht waren; natürlich könnten sie keinen Film mit Musik von Webern oder Berg machen, hatte der alte Mann, nach hinten umgedreht, zu dem Interviewer gesagt, der die Schlaglöcher auszugleichen versuchte, indem er sich krampfhaft am Haltegriff festhielt. Der Magen drehte sich ihm um. Der Jacketthaken drückte ihm in die Finger. In der anderen Hand hielt er sein Taschengerät. Obwohl er ernstliche Zweifel hatte, ob ihm bei dem mörderischen Gebrülle des Maserati überhaupt irgendeine Aufnahme gelingen würde.
«Stellen Sie sich das vor:
Gleiwitz
trifft
Wozzeck
, â¹Was will er denn mit dieser ungeheuren Zeit anfangen?⺠Nein, nein. Die Leute würden schreiend aus dem Kino laufen. Ich hatte Ridley bereits vor zwei Wochen, in dieser Phase, als er immer wütender wurde wegen des Studios, gesagt, er solle sich doch ein paar Tage freinehmen und nach London fahrenoder zu John Williams nach New York und schon einmal nach Talenten spähen, denen man später die Filmmusik anvertrauen könnte. Williams ist ein lieber Kerl, der sieht Sie nicht gleich schief an, nur weil Sie nicht in der Lage sind, dem doppelten Kontrapunkt oder wenigstens der Intervallsetzung einer Partitur zu folgen. Aber können Sie das beim Film? Wissen Sie wirklich, wie das gemacht ist? Sie mögen immerhin Filme beschreiben können. Und die Musik ist ein wichtiger, manchmal sogar ein entscheidender Teil des Films. Denken Sie bloà an
Psycho
. Sägende Streicher, witschwitsch, witschwitsch, kreischkreisch, kreischkreisch. Die Augen können sie schlieÃen, die Ohren nicht. Wissen Sie, die Chinesen haben ein gutes Sprichwort: Nicht an das, was Sie gesagt haben, nicht an das, was Sie getan haben, erinnern sich die Leute, sondern daran, wie sie sich mit Ihnen gefühlt haben. Das Gefühl, die Musik spricht direkt mit Ihnen, sie zupft Ihnen am Herz. Oder, wenn es nötig ist, an den Eiern. Für Filme ist das immer der entscheidende Zusatzpunkt gewesen. Denken Sie an die Zwanziger! Aber auch an
Star Wars
!
Jenseits von Afrika
! Wenn Sie da nicht noch eine Trumpfkarte in der Hinterhand haben, dann goodbye Zuschauermassen, goodbye Oscar. Stimmung, ja, das soll Filmmusik erzeugen, wenn sie gut ist, umso besser, hat auch der Fachmann was davon! Und wer wollte bestreiten, dass Williams eins a ist? Eine Mischung aus Holst und Korngold, genial der Junge, okay, der â¹alte Jungeâº, ist ja schlieÃlich fast mein Jahrgang.»
Es blieb dem Interviewer ein Rätsel, woher der alte Mann an diesem Abend, an dem sie wie drei irre Götter in einer mit einem Dreizack geschmückten Blechsänfte über die Beton- und Asphaltpisten rumpelten, seine Zuversicht nahm. Gleich hinter Bologna bezog sich der Abendhimmel, die Sicht trübte ein, die glatte, flache, irgendwie verkrüppelteLandschaft der Emilia-Romagna nahm sie auf wie eine lange, an ihren Rändern in die Unendlichkeit verschwimmende StraÃe ins Nichts.
Als sie um neun in Ferrara angekommen waren, hatte Ralph den Produzenten vor der
Duchessa Isabella
abgesetzt. Der alte Mann drückte dem Interviewer die Hand. «Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wir haben hier kein Zimmer mehr für Sie bekommen, aber es ist gleich um die Ecke. Kommen Sie morgen um sieben?» Ralph fuhr ihn dann ins
Hotel Europa
. Er hatte die Nacht voll Tiefschlaf gebraucht. Sobald er die zweite Tür hinter sich geschlossen hatte, die Taschen abgestellt, das Rollo zur HauptstraÃe zugezogen, die Jacke abgelegt und sich die Slipper abgestreift hatte, fiel er aufs Bett. An Träume konnte er sich nicht erinnern.
Und jetzt, einen Tag später, fühlte es sich an, als hätten sie, wie Odysseus und
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