Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
antworte ich, lasse mich auf einen Stuhl fallen und schleudere die Flipflops von meinen Füßen. »Du rätst nie, was …«
»Scheibenkleister, hast du meinen Schlüssel gesehen?«, fällt sie mir ins Wort.
»Ähm …« Irritiert schaue ich mich in der Küche um und suche mit den Augen die Arbeitsplatte ab. »Nein.«
»Verflixt«, schimpft sie und stampft ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.
Dem stilettobewehrten Fuß.
Verwundert schaue ich sie an. Noch nie habe ich an ihren Füßen irgendwelches anderes Schuhwerk gesehen als ihre Havaiana-Flipflops, von denen sie mindestens ein Dutzend in sämtlichen Farben des Regenbogens besitzt. Sie behauptet immer, so groß und schlank, wie sie ist, braucht sie nicht auch noch hohe Absätze anzuziehen. Aber heute Abend trägt sie ein Paar atemberaubender goldener Peeptoes, die gegen ihre Havaiana-Flipflops in etwa das sind, was ein Matisse gegen Malen nach Zahlen ist.
»Was hast du denn vor?«, frage ich überrascht. Verblüfft schaue ich von ihren Füßen auf, und erst jetzt merke ich, dass sie sich richtig aufgebrezelt hat. Sie trägt ein langes Batikkleid, das ihr beeindruckendes Dekolletee betont, und hat die Haare hochgesteckt, sodass ihr bildhübsches, enganliegendes Collier hervorragend zur Geltung kommt. Es stammt offensichtlich von einer ihrer ausgedehnten Reisen und ist aus hunderten winzig kleiner Edelsteine gefertigt, die im Licht der Deckenstrahler in der Küche funkeln und glitzern.
Und daneben stehe ich mit meinem Halskettchen aus der Billigboutique.
»Wow, du siehst umwerfend aus«, murmele ich anerkennend.
Worauf sie kurz ihr hektisches Herumgerenne unterbricht und vor mir stehen bleibt, damit ich sie ausgiebig bewundern kann. »Meinst du wirklich?« Nervös fummelt sie an ihren Haaren herum. »Ich dachte, ich hätte es vielleicht ein bisschen übertrieben.«
»Nein, du siehst toll aus«, versichere ich. Ich habe sowieso nie verstanden, warum Robyn ihre Wahnsinnsfigur immer unter sackartigen Klamotten versteckt, aber heute Abend hat sie sich fraglos voll ins Zeug gelegt. »Sehr sexy.«
Worauf sie zart errötet. »Danke.« Sie grinst, dann fällt ihr wohl wieder ihre Jagd nach dem verlorenen Schlüssel ein, und sie stürzt zur Arbeitsplatte und hebt einen Poststapel hoch. »Verflixt, wo könnte denn mein Schlüssel bloß sein?«
»Keine Sorge, ich lege dir meinen raus.« Mein Blick fällt auf eine Tüte Kartoffelchips, und ich nehme mir eine Handvoll heraus. »Ich verstecke ihn unter der Topfpflanze am Treppenabsatz.«
»Wirklich?« Sie wirft mir einen dankbaren Blick zu. »Oh, vielen Dank, du bist ein Engel.« Womit sie auch schon zur Tür hinausgerauscht ist.
»Hey, aber du hast mir immer noch nicht gesagt, was du eigentlich vorhast –« Die Tür schlägt hinter ihr zu, worauf irgendwas mit einem lauten Knall seitlich vom Kühlschrank rutscht. Ich bücke mich und hebe es auf. Es ist ihre Traumtafel.
»Oder mit wem«, murmele ich und starre die aufgeklebten Bilder dunkelhaariger, gutaussehender Fremder ratlos an, eingerahmt von ausgeschnittenen Buchstaben, die die Worte »Seelenverwandter« und »Harold« ergeben. Irgendwie habe ich den dringenden Verdacht, dass sie nicht mit ihm ausgeht.
Seufzend lehne ich die Tafel wieder an den Kühlschrank
und nehme meine Reisetasche. Ich muss mich für meine Verabredung mit Adam fertig machen, obwohl ich immer noch nicht weiß, was für eine Überraschung er sich für mich ausgedacht hat oder wo wir uns treffen, überlege ich, während meine Nerven ein klein wenig zu flattern beginnen. Schnell krame ich mein Handy heraus und schaue nach, ob ich eine SMS bekommen habe, und da merke ich erst, dass mein Akku leer ist. Verdammt, wo ist denn bloß das Ladegerät? Gleich neben dem Toaster, wo du es liegen gelassen hast, stelle ich fest und stöpsele das Ding rasch in die Steckdose. Sofort erscheint eine Nachricht auf dem Display. Von Adam.
Mit Ort und Zeit unserer Verabredung. Mir wird ganz kribbelig vor Aufregung, und ich werfe einen nervösen Blick auf die Zeitanzeige der Mikrowelle. Oh nein, ist es wirklich schon so spät?
Hals über Kopf stürze ich ins Badezimmer, springe unter die Dusche und verbringe die nächste halbe Stunde mit der, wie ich es gerne nenne, »Verwandlung«. Weg mit Krisselhaaren, Schwitzgesicht, Sack-T-Shirt und Leggins, her mit natürlichem Make-up, einem Vintage – Kleidchen, das ich in einem Secondhandladen aufgestöbert habe und, okay, das mir unter den Armen ein bisschen zu
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