Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
mich damit ab, dass mir einfach hundeelend zumute ist. Mit meinem Wein, den Chips und meinem Laptop verkrümele ich mich niedergeschlagen ins Bett. Vielleicht hat Adam ja auf meine Nachricht bei Facebook geantwortet, versuche ich mich aufzumuntern. Vielleicht hat er ein bisschen Zeit gehabt, in Ruhe über alles nachzudenken … Ein kleiner Hoffnungsschimmer flackert auf wie die Flamme meiner Kerze, und einen winzigen Moment bin ich ganz kribbelig vor freudiger Erwartung angesichts dieses Silberstreifs am Horizont. Vielleicht, womöglich.
Mit einem großen Schluck Wein trinke ich mir ein bisschen Mut an und schaue in meinen Posteingang. Ich habe drei neue Mails. Eine davon ist von meiner Mutter, die wissen will, ob ich in letzter Zeit mit Kate geredet habe, weil sie sie nicht erreichen kann, und mir mitteilt, dass es »hier brütend heiß ist. Alle laufen in T-Shirts rum«. Seit meinem Umzug nach New York tobt ein unerbittlicher Wetterkrieg zwischen mir und meiner Mutter. Aus mir unerfindlichen Gründen ist sie wild entschlossen, mir zu beweisen, dass es in Manchester heißer ist als in New York. »Du glaubst nicht, wie sonnig es ist, seit du hier weg bist.«
In der Tat, Mum, das glaube ich wirklich nicht, denke ich, lösche die Mail und öffne die nächste, eine Einladung zur Verlobungsfeier einer Freundin in London. »Spitze, Glückwunsch«, tippe ich mit zwei Fingern und kippe noch einen ordentlichen Schluck Wein. »Kann leider nicht kommen.« Bin in New York, werde gerade Alkoholikerin, füge ich im Geiste hinzu und klicke auf Senden.
Die letzte Mail ist von eBay, eine Erinnerung, dass die Auktion meines zweiten Theatertickets morgen abläuft, und dass
bereits mehrere Gebote vorliegen. Das muntert mich ein bisschen auf. Wenigstens etwas.
Und das war’s. Keine Mail von Adam. Enttäuscht starre ich auf meinen leeren Posteingang, während ich immer tiefer ins Grübeln gerate, und dann logge ich mich bei Facebook ein. Man weiß ja nie, vielleicht ist was schiefgegangen, und seine Antwort ist nicht weitergeleitet worden. Einem Freund von mir ist das mal passiert. Na ja, nicht direkt einem Freund, mehr einem Freund von einem Freund, oder vielleicht habe ich das auch bloß irgendwo gelesen. Ich weiß es nicht mehr so genau. Wichtig ist nur, dass es passieren kann.
Nur nicht bei mir, stelle ich enttäuscht fest, als ich mir meine Profilseite anschaue. Keine neuen Nachrichten. Nichts, bis auf eine Statusmeldung von Nathaniel Kennedy:
Auf Häusersuche!
Diesmal versuche ich nicht mal, ihn aus meiner Freundesliste zu löschen. Warum auch?, denke ich resigniert, bringt ja doch nichts. Und irgendwie ist es mir inzwischen auch ziemlich egal.
Ich muss an mein Gespräch heute Mittag mit Kate denken, und wie sie meinte, sie wünschte, sie und Jeff könnten für immer zusammenbleiben. Beim Gedanken daran zieht sich mir das Herz zusammen vor Angst, und ich nippe an meinem Wein, um das Gefühl der bösen Vorahnung abzuschütteln, das mich einzuhüllen droht wie ein dicker Mantel. Jeff schafft das, sage ich mir streng. Kate hat gesagt, das sei die beste Krebsart, die man haben kann, und sie ist studierte Ärztin, sie muss es also wissen. Kate weiß alles. Sie irrt sich nie. Warum sollte es ausgerechnet jetzt anders sein?
Am Sonntagmorgen wache ich auf, und eine Frage, nur eine einzige Frage, hämmert in meinem Schädel: Warum nur habe ich bloß das vierte Glas Wein getrunken? Doch mit dem pochenden Kopfschmerz kommt auch eine ganz neue Entschlossenheit. Das war’s. Ab jetzt wird der Kummer nicht mehr in Alkohol ertränkt. Männer und Beziehungen sind hiermit abgehakt. Ich werde meine Zeit ab sofort nicht mehr mit diesem albernen Liebeskram verplempern. Nein, ich konzentriere mich auf das, was wirklich wichtig ist. Familie und Freunde, Gesundheit, Geld für einen guten Zweck sammeln …
Und eine riesengroße Tasse Kaffee.
Übernächtigt und mit Schlaf in den Augen tappe ich in die Küche, wo Robyn sich gerade einen Kräutertee braut. Robyn ist die Königin der Kräutertees, und damit meine ich nicht bloß hundsgewöhnlichen Kamillentee oder Pfefferminzteebeutelchen aus dem Supermarkt. Sie hat aus Tee eine Wissenschaft gemacht, brüht löffelweise getrocknete Kräuter mit exotischen Namen in ihrer kleinen Teekanne auf, brodelt und siebt und seiht ab, mit verschiedenen Filtern und frickeligen kleinen Gaze-Fetzen. Und das alles nur, um die widerlich-abstoßendste Flüssigkeit zusammenzubrauen, die man sich nur vorstellen
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