Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
kann.
Ich schalte den Wasserkocher ein und hole drei Tassen aus dem Küchenschrank.
»Eine für mich, eine für dich und eine für Daniel«, bemerke ich spitz und schaue sie mit einem vielsagenden Lächeln an.
»Danke«, nickend löffelt sie getrocknete Kräuter in eine kleine Keramikkanne, »aber ich brauche nur eine Tasse.«
»Vernünftiger Kerl. Er hasst das Zeug also auch, ja?«, meine ich grinsend. Langsam schraube ich meinen kleinen silberfarbenen Espressokocher auseinander. »Vielleicht möchte er ja stattdessen einen Kaffee.«
»Er ist nicht hier.«
Energisch klopfe ich den alten Kaffeesatz in die Tonne und spüle den Einsatz unter dem Wasserhahn ab. »Oh, holt er gerade Croissants?«
Robyn und ich wohnen gleich um die Ecke von einer tollen kleinen Bäckerei, die unglaublich köstliche Croissants macht. Immer, wenn ich daran vorbeilaufe, muss ich an Nates Bemerkung denken und sage mir: »Einen Bissen im Mund, ein Leben lang die Hüften rund.« Und trotzdem kann ich einfach nicht widerstehen und hole mir jedes Mal eins der leckeren Mandelcroissants. Ist sowieso ein doofer Spruch.
»Nein, er ist weg«, erklärt sie unbewegt. Der Wasserkocher sprudelt und schaltet sich ab, und sie gießt das kochende Wasser über ihre Kräuter.
»Weg?« So wie sie das sagt, klingt es fast, als sei er irgendwie verlorengegangen. Fast bin ich versucht, unter dem Küchentisch nachzusehen, ob er sich da versteckt. Aber dann geht mir plötzlich auf, was sie meint: »Der kommt nicht wieder.«
»Aber wieso das denn? Warum?« Verdattert schaue ich zu, wie sie mit leicht betäubtem, in die Ferne gerichtetem Blick den Tee in der Kanne umrührt. »Gestern Abend dachte ich eigentlich, ihr zwei …« Ich suche nach dem richtigen Wort. Wolltet gleich miteinander ins Bett hüpfen? Nein, das geht nicht. »… seid so vertraut miteinander«, vollende ich schließlich meinen Satz.
Sie hört auf zu rühren und schaut auf. »Es ist aus.«
»Aus?« Ich komme mir vor, als hätte ich eine Folge von X Factor verpasst und noch gar nicht mitbekommen, dass einer meiner Favoriten rausgeflogen ist, sodass ich die ersten zehn Minuten der Show einfach vollkommen verdattert dasitze und krampfhaft versuche, mir zusammenzureimen, was da bitte schön vor sich geht.
»Nicht, dass wir was miteinander gehabt hätten«, beeilt sie sich hinterherzuschieben.
»Nein, natürlich nicht«, nicke ich und spiele brav mit.
»Wir sind bloß Freunde.«
»Gute Freunde«, ergänze ich.
»Ja, genau«, stimmt sie mir zu und wendet den Blick ab.
»Also, was ist passiert?«
Sie schweigt, und dann seufzt sie tief. »Harold. Der ist passiert. Du hast mir gesagt, dass du ihn auf Martha’s Vineyard kennengelernt hast.«
Fiese Schuldgefühle zwicken mich. Das ist also alles meine Schuld. »Ich wollte doch nicht, dass du Daniel deswegen den Laufpass gibst«, wende ich schnell ein. »Ich meine, obwohl ihr natürlich nie so richtig zusammen wart …«, versuche ich schnell zurückzurudern, aber sie fällt mir ins Wort.
»Ich habe nicht Schluss gemacht. Es war Daniel. Er meinte, es wäre besser, wenn wir uns nicht mehr sähen.«
Ungläubig starre ich sie an. »Ich dachte …« Ich stocke, mir schwirrt der Kopf. »Ich dachte, ihr beide hättet so viel Spaß zusammen gehabt … die afrikanische Trommelgruppe, das vegane Restaurant, der gestrige Abend …« Ich breche ab und muss an die beiden auf dem Sofa denken. Glauben Sie mir, der sah nicht aus wie ein Kerl, der gleich das Weite sucht.
»Hatten wir auch.« Sie nickt. »Hatten wir.« Sie schnieft leise, und in ihren großen grünen Augen glitzert es verdächtig. Schnell blinzelt sie die Tränen weg. »Aber er meinte, jetzt, wo ich Harold gefunden habe, will er mir nicht im Weg stehen. Er möchte nicht zwischen mir und meinem Seelenverwandten stehen.«
Ich sage erst mal gar nichts und muss das ein bisschen sacken lassen. »Könntest du das bitte noch mal wiederholen?« Ich schaue sie durchdringend an. »Woher weiß er denn, dass du … ich meine, dass ich Harold gefunden habe?«
»Ich habe es ihm erzählt.«
»Du hast es ihm erzählt?«
»Na klar«, meint sie nickend. »Ich habe ihm gleich, als wir uns kennengelernt haben, von Harold erzählt; dass ich ihn suche und dass er mein Seelenverwandter ist.«
»Aber du hast ihn doch noch gar nicht kennengelernt! Es könnte der vollkommen falsche Harold sein«, rufe ich entgeistert und schwenke den Espressokocher. »Ich meine, es muss doch mehr als einen armen Tropf
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