Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
vergessen. Was ja auch funktioniert hat. In gewisser Weise.
»Muss ja eine tolle Hochzeit gewesen sein.« Ich lächele ihn strahlend an und trinke mein Glas in einem Zug leer.
Menschenskinder, ich scheine mich urplötzlich in Miss Superlässig verwandelt zu haben. Guck sich das einer an! Völlig cool und ruhig und nicht das kleinste bisschen eifersüchtig oder angesäuert. Der Wahnsinn. Ich fühle mich richtig edelmütig. Großherzig.
Und ein bisschen angetrunken , wie mir plötzlich aufgeht.
»War ein großes Ding.« Er nickt. »Dreihundert Gäste im Ritz-Carlton in San Francisco.«
»Wow«, murmele ich, nicht wegen der umfangreichen Gästeliste, sondern weil ich es nicht fassen kann, dass ich hier sitze und über Nates Hochzeit rede. Mit Nate. Das ist einfach zu bizarr.
»Glaub mir, bei der Hälfte der Leute hatte ich keinen Schimmer, wer sie eigentlich waren. Bis heute nicht«, fährt er kopfschüttelnd fort. Dann greift er nach seinem Glas und schaut mich nachdenklich an. »Aber egal, genug von mir. Was ist mit dir? Wer ist der Glückliche?«
Ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen steigt, und überlege kurz, ob ich mir einen Ehemann aus den Fingern saugen soll, entschließe mich aber dann, die Wahrheit zu sagen. Wir haben nie Spielchen miteinander gespielt, Nate und ich, und
ich will auch nicht damit anfangen. »Es gibt keinen«, sage ich, wende den Blick ab und gucke in mein leeres Weinglas.
»Was?« Jetzt kommt er seinerseits aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Warum nicht?«
Weil ich dich nie vergessen habe, weil niemand an dich rankam, weil du meine wahre Liebe warst , flüstert eine kleine Stimme in meinem Kopf.
Stattdessen zucke ich bloß mit den Schultern. »Wahrscheinlich warte ich immer noch auf den Richtigen.«
Der viele Wein im Magen macht mich ein bisschen schwindelig, und das Bistro fängt an, ganz leicht zu schwanken. Als ich aufschaue, sehen wir uns direkt in die Augen.
»Sehr clever.« Er nickt und guckt sehr nachdenklich. »Hätte ich auch machen sollen.«
Eine kleine Pause entsteht, und wir sehen uns an, und keiner von uns beiden sagt ein Wort. Bilde ich mir das bloß ein, oder liegt hier was in der Luft? Knistert es gerade zwischen uns?
Irgendwo in meinem Körper fängt ein leiser Puls langsam an zu schlagen.
»Warst du noch mal in Venedig?«
Mir schnürt sich die Brust zu, und ich bekomme kaum noch Luft. »Nein, seitdem nicht mehr«, bringe ich mühsam heraus und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. »Und du?«
Er schaut mich immer noch unverwandt an.
»Millionen Mal«, entgegnet er leise.
Mir bleibt das Herz stehen. Also habe ich mir das doch nicht bloß eingebildet. Wie eine Woge schlagen meine Gefühle über mir zusammen, und ganz kurz ist es, als würde hier gerade etwas ganz Großes passieren, und ich frage mich, was er wohl als Nächstes sagen, als Nächstes tun wird und wo das alles hinführen wird.
»Ich habe die falsche Frau geheiratet, Lucy.«
Seine Stimme ist leise, aber klar und gefasst. Mir wird ganz komisch. Ach du lieber Himmel, ich fasse es nicht … ich fasse es einfach nicht … Das aus seinem Mund zu hören trifft mich wie ein Keulenschlag; ich bin schockiert, perplex, wie betäubt und doch …
Und doch ist da noch etwas anderes … ganz tief drinnen … das Gefühl von Ruhe, Unumgänglichkeit, Schicksal.
»Ich habe den größten Fehler meines Lebens gemacht, als ich dich habe gehen lassen, und ich bereue es bis heute. All die Jahre habe ich immer an dich gedacht. Habe mich gefragt, wo du bist, was du machst, ob ich dich je wiedersehe. Manchmal habe ich mir sogar vorgestellt, wie es wäre, dich wiederzusehen, dir einfach irgendwo auf der Straße zu begegnen …«
Ich höre ihn reden, und doch könnten es genauso meine eigenen Worte sein. Es könnte meine Stimme sein, die das alles erzählt. Denn genau so ist es mir all die Jahre ergangen. Fast kommt es mir vor, als läse er aus meinem Tagebuch, als redete er über mich und mein Leben, aber ihm ging es nicht anders als mir. Die ganze Zeit haben wir dasselbe gedacht und empfunden, ohne voneinander zu wissen.
»Es war verrückt. Ich war deswegen sogar mal bei einem Therapeuten.«
Das reißt mich aus meinen Gedanken. »Bei einem Therapeuten?«
»Na ja, das war in L. A.« Er guckt mich ein bisschen bedröppelt an. »Die Arbeit hat mich fertiggemacht, deswegen war ich eigentlich da, und dann habe ich am Ende doch die ganze Zeit nur von dir geredet.«
Wie kleine Pfeile, die sich in meine
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