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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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der anderen Seite der Galerie sehe ich Jeff, der vor White Noise stehen geblieben ist, einem abstrakten Gemälde eines unserer neuen Künstler, und es etwas verunsichert betrachtet. Offensichtlich hat er Anweisung bekommen, dort stehen zu bleiben und zu warten, bis er wieder abgeholt wird.
    »Herrje, der hat aber abgenommen«, rufe ich verwundert, als Kate ihm winkt, zu uns rüberzukommen.
    »Ach, ehrlich?« Sie begutachtet ihn kurz, als er auf uns zukommt, und zuckt dann die Achseln. »Also, ich sehe keinen Unterschied.«
    »Ach was, das ist doch gar nicht zu übersehen, dass er dünner geworden ist. Was ist los? Hast du ihn endlich bequatscht, mit dir ins Fitnessstudio zu gehen?«
    Kate schnaubt amüsiert. »Wohl kaum. Unter Sportprogramm versteht Jeff den Griff nach der Fernbedienung. Stimmt’s, Schatz?«, fragt sie, als er sich zu uns gesellt.
    »Stimmt genau.« Er grinst bloß, weil er schon vor langer Zeit gelernt hat, Kate in allem, was sie sagt, widerspruchslos zuzustimmen. Er gibt ihr einen Kuss auf die Wange und wendet sich dann an mich. »Tolle Ausstellung, Lucy.« Er umarmt mich. »Obwohl ich ja leider nicht viel von Kunst verstehe. Für mich sieht das alles nach ziemlich belanglosem Gekritzel aus.« Entschuldigend zuckt er mit den Schultern.
    »Ist halt abstrakt«, entgegne ich lachend. Meine Schwester und ich mögen uns ja in vielen Dingen nicht einig sein, aber in einem sind wir uns vollkommen einig, und zwar, was ihren
Mann betrifft. Würde man »gutmütiger Mensch« im Lexikon nachschlagen, dann würde man sicher auf ein Foto von Jeff stoßen, seines Zeichens irischstämmiger Amerikaner mit einem Herzen aus Gold.
    »Oho, so nennt man das also«, grinst er gutgelaunt.
    »Luuutzi! Da sind Sie ja!«
    Wir werden von Magda unterbrochen, die heute ein Kleid mit Leopardenmuster trägt und eine Bienenstockfrisur, die eigens für diesen besonderen Abend wahre Wolkenkratzerausmaße angenommen zu haben scheint. Sie sieht aus wie eine Miniaturausgabe von Peggy Bundy, allerdings eine mit Diamantgehängen an sämtlichen Gliedmaßen.
    »Das ist Mrs. Zuckerman, ihr gehört die Galerie«, erkläre ich Kate und Jeff, die sich leicht irritiert anschauen. »Meine Chefin«, murmele ich tonlos über ihre Turmfrisur hinweg.
    »Hallo. Nett, Sie kennenzulernen.« Beide überschlagen sich auf der Stelle vor Höflichkeit und wollen ihr die Hand geben, aber sie hat beide Hände voll mit Hackbällchen. Ein ganzes Tablett voll. Wie angekündet war sie die ganze Woche damit beschäftigt, Fleischbällchen zu braten, die sie nun ihren Gästen zusammen mit dem falschen Champagner auftischt.
    Und das fast schon mit Gewalt, denke ich, als ich sehe, wie sie ihnen das Tablett unter die Nase hält. Von wegen »sich unter die Leute mischen«. Magda war wild entschlossen, Essen aufzufahren wie eine ordentliche jüdische Mamme.
    »Hackfleischbällchen?«, trompetet sie strahlend, wobei das weniger wie eine Frage als vielmehr wie ein Befehl klingt.
    »Oh nein, danke. Wir wollten gleich noch was essen gehen …«, setzt Kate an zu erklären, aber Magda fällt ihr ins Wort.
    »Unsinn. Das sind die perfekten Vorspeisenhäppchen. Probieren Sie mal.« Und mit ihrer typisch penetranten Art drängt sie ihnen die Hackbällchen auf.
    Kate guckt mich verzweifelt an. Das ist vermutlich das erste
und einzige Mal in meinem Leben, dass ich mit ansehen muss, dass Kate vor jemandem Muffensausen hat. Stumm nimmt sie einen Fleischklops.
    »Und Sie, Sie sind viel zu dünn«, plappert Magda weiter und wendet sich nun an Jeff.
    »Oh, das würde ich nicht unbedingt sagen.« Er lacht und guckt dann leicht verwirrt, als sie ihm eine Serviette mit einer gefährlich hoch gestapelten Fleischballpyramide in die Hand drückt. »Wow, das ist ja eine Riesenportion.«
    »Die sind sagenhaft gut«, flötet sie und gestikuliert wild mit den Händen, wobei sie beinahe das Tablett fallen lässt. »Sind sie nicht sagenhaft gut, Lutzi?«
    »Oh ja, sagenhaft gut«, wiederhole ich hastig nickend.
    »Hast du keinen Hunger, Lucy?«, meldet Kate sich zu Wort.
    Das ist mal wieder typisch meine Schwester: keinen Funken Loyalität im Leib.
    »Na ja, ehrlich gesagt …« Ich gerate ins Stocken. Bisher ist es mir gelungen, einen Bogen um die berühmten Hackbällchen zu machen, weil ich die ganze Zeit herumgeflitzt bin und gar nicht wusste, wo mir der Kopf stand, und für den Bruchteil einer Sekunde denke ich, jetzt bin ich fällig, es gibt kein Entkommen mehr, aber dann naht die Rettung

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