Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
»Nein, offen gestanden …« Mir fällt auf einmal was ein. Ich bleibe stehen, greife in den Ausschnitt meines T-Shirts und ziehe den Münzanhänger heraus. Den habe ich nicht mehr ausgezogen, seit Nate und ich die beiden Amulette gemeinsam angelegt haben. Schnell ziehe ich es mir über den Kopf und schmeiße das Ding in einen Mülleimer gleich in der Nähe.
Dann drehe ich mich zu Robyn um, die mich ungläubig anstarrt, und sage: »Und, glaubst du es mir jetzt?«
Jedes Ende birgt einen neuen Anfang, und etwas später an diesem Sonntag, als ich wieder zu Hause in unserer gemeinsamen Wohnung bin, beschließe ich, einen entschiedenen Schlussstrich zu ziehen. Tabula rasa und so. Überall liegt mein Gerümpel herum, weshalb ich den restlichen Tag damit zubringe, alles durchzugehen und eine ganze Menge auszusortieren und wegzuwerfen. Einschließlich meiner »Nate-Akte«, die überquillt vor alten Fotos, Briefen und Erinnerungsstücken, die ich all die Jahre gehütet habe wie einen Schatz und mitgeschleppt habe, wo immer ich auch hingegangen bin.
Jetzt ist es an der Zeit loszulassen, sage ich mir bestimmt und stopfe alles in die Mülltonne. Zeit, nach vorne zu schauen.
Ehe ich an diesem Abend schlafen gehe, schließe ich mein Handy ans Ladegerät an. Nate hat sich nicht mehr gemeldet, aber das habe ich auch gar nicht erwartet. Einen Moment lang überlege ich, ihm eine SMS nach dem Motto »Leb-wohl-alles-Gute-ein-schönes-Leben-noch« zu schicken, lasse es aber dann doch lieber sein. Noch sind die Wunden etwas zu frisch. Am besten lasse ich erst noch ein bisschen Gras über die Sache wachsen, und dann schicke ich ihm eine sehr weise, sehr erwachsene E-Mail, irgendwas Philosophisches über die Liebe und Beziehungen und so.
Vielleicht werden wir eines Tages sogar Freunde, wie Bruce und Demi, und fahren gemeinsam mit unseren neuen Partnern in Urlaub. Und wenn uns jemand fragt, sagen wir nur Gutes übereinander und lachen und schwelgen in gemeinsamen Erinnerungen. Und ich kann sogar über seine Ananas-Boxershorts lachen und darüber, dass er dauernd am Handy hängt. Das ist dann eine liebenswerte kleine Marotte, genauso wie meine chronische Unpünktlichkeit und Unordentlichkeit und meine lila Haare.
Aber wegen dieser fiesen Bemerkung über meine Oberschenkel könnte ich ihn immer noch umbringen.
Als ich am Montagmorgen aufwache, bin ich bester Dinge. Neuer Tag, neues Glück. Der erste Tag vom Rest meines Lebens. Nach dem gestrigen kathartischen Ausmisten des alten Krempels ist es Zeit für etwas Neues. Man stelle sich nur vor, ich muss nie mehr an Nate denken. Nie wieder wird er mir im Kopf rumspuken, wenn ich ein Lied im Radio höre, und nie wieder werde ich mit schmerzhaften Herzstichen denken: »Was wäre, wenn?«, wenn ich ein glückliches Pärchen sehe, das sich zärtlich aneinanderkuschelt. Es ist unglaublich.
Es kommt mir vor, als sei mir eine Last von den Schultern genommen worden, überlege ich und nippe auf dem Weg zur Arbeit quietschvergnügt an meinem extrastarken Milchkaffee. Mit dem iPod auf den Ohren schwebe ich schwerelos die Straße entlang. Ich fühle mich leichter, freier …
»Ich höre die Hochzeitsglocken läuten!«
Ich öffne die Tür zur Galerie und werde stürmisch von Magda begrüßt, die herübereilt, um mich zu begrüßen. Ihre Stilettos klackern laut auf dem polierten Betonboden und klingen fast wie ein Trommelwirbel.
»Was?« Hastig ziehe ich die Stöpsel aus meinen Ohren und starre sie verdattert an.
»Sie und Nathaniel! Ich höre sie schon!«, posaunt sie und legt lauschend eine Hand an ihr Ohr.
Verschreckt bleibe ich stehen, während mein Beschwingtsein und die Gewissheit, seinen Namen nie wieder hören zu müssen, sich in Luft auflösen.
»Es wird atemberaubend. Sie sollten die Feier im Plaza veranstalten. Ich habe einen Freund, Ernie Wiseman, der kann Ihnen ein fantastisches Angebot für die Blumenarrangements machen.«
Mir wird flau. Wie soll ich Magda bloß schonend beibringen, dass es aus ist?
»Ehrlich gesagt, glaube ich, es wird keine Hochzeit geben«, erkläre ich taktvoll.
»Ich weiß, ich weiß, Sie wollen eine lange Verlobungszeit.« Verständnisvoll zuckt sie mit den winzigen Schultern, die mit zwei gigantischen Schulterpolstern gepanzert sind. »Sie möchten alles in Ruhe planen, organisieren, alles soll ganz perfekt sein, doch lassen Sie sich gesagt sein, Sie sollten ihn innerhalb der ersten drei Monate vor den Altar schleppen, drei Monate, ich sage es
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