Trainspotting: Roman (German Edition)
ödesten Sprüchen.
– Nich übel… sagte er keuchend.
Bist du sicher, Alan, mein Lieber? Alles in Ordnung? Du schaust ein wenig mitgenommen aus. Wahrscheinlich nur die kleine Grippe, die grad umgeht. Leg dich sofort ins Bett, und mit ein paar Aspirin bist du morgen wieder so gut wie neu.
– Schmerzen? fragte ich hoffnungsvoll.
– Nein… dagegen gibts Mittel… bloß das Luftholen… Ich hielt seine Hand und war leicht amüsiert, als seine jämmerlichen knochigen Finger zudrückten. Ich fürchtete, ihm ins knochendürre Gesicht zu lachen, während ihm die müden Augen immer wieder zufielen.
Ach, der arme Alan, ich kannte ihn gut, Schwester. Er war ein Wichser und ging einem unendlich auf die Nerven. Ich beobachtete ihn und mußte ein Kichern unterdrücken, während er nach Luft schnappte.
– Schon gut, Kumpel. Ich bin ja da, sagte ich.
– Bistn guter Kerl, Davie… stammelte er. – Schade, daß wir uns nich schon vorher kennengelernt haben… Er schlug die Augen auf und wieder zu.
– Ja, echt schade, du schrottgesichtiges kleines Arschloch… zischte ich seine geschlossenen Augen an.
– Was?… Was hast du gesagt… vor Erschöpfung und Betäubungsmitteln war er schon im Delirium.
Faules Stück. Liegt zu lange in der Falle rum. Muß mal den Hintern hochkriegen und n bißchen trainieren. Einmal kurz um den Park. Fünfzig Liegestütze. Zwei Dutzend Kniebeugen.
– Ich sagte, schade, daß wir uns unter solchen Umständen kennenlernen mußten.
Er stöhnte zufrieden und schlief ein. Ich löste seine dürren Finger von meiner Hand.
Unangenehme Träume, du Arsch.
Die Schwester kam herein, um nach dem Patienten zu sehen. – Ganz schön ungesellig. So behandelt man doch nicht seine Gäste, sagte ich lächelnd und sah auf den schlummernden, leichenhaften Venters hinab. Sie lachte nervös und dachte wahrscheinlich, daß das der schwarze Humor des Schwulen oder Junkies oder Bluters war oder für was sie mich auch immer halten mochte. Mir ist es vollkommen egal, als was sie mich sieht. Ich sehe mich als Racheengel.
Diesen Misthaufen umzubringen, da hätte ich ihm nur einen Gefallen getan. Das war das Problem, aber eines, das ich lösen konnte. Wie tut man einem weh, der im Sterben liegt, es weiß und dem es vollkommen egal ist? Ich redete mit Venters, um das herauszufinden, doch wichtiger war, ihm zuzuhören. Du tust ihm über die Lebenden weh, über die, an denen ihm was liegt.
Im Lied heißt es, »Everybody loves somebody sometime«, aber Venters schien die Ausnahme von der Regel zu sein. Der Kerl mochte die Menschen einfach nicht, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Bei anderen Männern sah Venters sich immer in der Rolle des Widersachers. Ehemalige Bekannte bezeichnete er voller Verbitterung als »Aasgeier« oder voller Verachtung als »verdammte Jammerlappen«. Die Beschreibung hing davon ab, wer im jeweiligen Fall wen mißbraucht, ausgebeutet oder manipuliert hatte.
Frauen fielen in zwei nicht allzu klare Kategorien. Entweder hatten sie »ne Fotze wien Fischgericht« oder »ne Fotze wien aufgeplatztes Sofa«… Offenbar fand Venters jenseits des »pelzigen Lochs«, wie er es nannte, nichts an Frauen. Selbst ein paar abfällige Bemerkungen über ihre Titten und Ärsche hätten schon eine erheblich breitere Sichtweise dargestellt. Ich verlor langsam den Mut. Wie konnte dieses Arschloch nur jemanden lieben? Aber ich ließ mir Zeit, und schließlich zahlte sich meine Geduld aus.
Denn ein Mensch war diesem widerlichen Scheißer doch nicht gleichgültig. Die Veränderung in seiner Stimme war unüberhörbar, wenn er den Ausdruck »der kleine Kerl« verwendete. Diskret entlockte ich ihm alle Informationen über seinen fünf Jahre alten Sohn Kevin, den er von einer Frau in Wester Hailes hatte, einer »Kuh«, die ihm nicht erlaubte, das Kind zu sehen. Ein Teil von mir liebte diese Frau bereits.
Das Kind zeigte mir, wie ich Venters weh tun konnte. Im Gegensatz zu seinem üblichen Verhalten zeigte er sich schmerzerfüllt und geradezu überwältigt vor Rührung, wenn er davon sprach, daß er seinen Sohn nie aufwachsen sehen würde, und davon, wie sehr er »den kleinen Kerl« liebe. Deshalb hatte er auch keine Angst vor dem Tod. Er glaubte tatsächlich, daß er, in welchem Sinne auch immer, in seinem Sohn weiterleben würde.
Es war nicht allzu schwer, mich bei Frances, Venters’ früherer Freundin, einzuschmeicheln. Sie haßte Venters derart, daß sie mir gleich sympathisch war, auch wenn sie mich sonst
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