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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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gehabt, nicht mal nen beschissenen Job… was kümmerts mich… als ichs ihr gesagt hab, isse total ausgeflippt… er schluchzte wie ein Kind. Dann sah er zu uns auf und lächelte unter Tränen, das schönste Lächeln, das ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. – War aber alles in Ordnung. Sie hatn Test gemacht. Drei Mal in nem halben Jahr. Nichts. Sie hat sich nich angesteckt…
    Marjory, die unter eben diesen Umständen angesteckt wurde , zischte uns an. Dann passierte es. Venters, der Arsch, rollte mit den Augen und lächelte mich an. Das wars. Das war der Augenblick. Die Wut war noch da, aber sie verband sich mit einer großen inneren Ruhe, einer großen Klarheit. Ich lächelte zurück und fühlte mich wie ein halb im Wasser liegendes Krokodil, das ein weiches Pelztier beäugt, das am Flußufer säuft.
    – Nee… winselte Goagsie Marjorie an, – so war das nich… auf ihre Ergebnisse warten war schlimmer als auf meine eigenen… das verstehste nich… ich hab doch nich… ich mein, ich hab nich… is nich so, daß…
    Tom kam dem zitternden, stammelnden Etwas, zu dem Goagsie geworden war, zu Hilfe.
    – Vergessen wir nicht die ungeheure Wut, Verachtung und Verbitterung, die ihr alle gespürt habt, als ihr erfahren habt, daß ihr positiv seid.
    Das war das Stichwort, auf das hin eine unserer üblichen Streitereien wieder mit voller Wucht ausbrach. Tom betrachtete dies als »Auseinandersetzung mit unserer Wut«, indem wir uns »der Realität stellten«. Dieser Prozeß sollte therapeutische Wirkung haben, und das schien auf die meisten in der Gruppe zuzutreffen; ich fand das allerdings anstrengend und deprimierend. Vielleicht, weil ich ein ganz anderes Ziel verfolgte.
    Im Verlauf dieser Debatte über persönliche Verantwortung leistete Venters, wie immer bei solchen Gelegenheiten, seinen üblichen hilfreichen und erleuchtenden Beitrag. – Scheiße, sagte er immer, wenn jemand leidenschaftlich einen Standpunkt vertrat. Tom fragte ihn dann, wie immer, warum er so dachte.
    – So halt, erwiderte Venters schulterzuckend. Tom fragte, ob er das erläutern könne.
    – Der eine hat so ne Meinung, der andere eben ne andere. Woraufhin Tom Alan nach seiner Meinung fragte. Alan antwortete: Geht mich doch nix an, oder: Is mir doch scheißegal. Die genaue Wortwahl weiß ich nicht mehr.
    Dann fragte Tom Venters, warum er hier sei. Der entgegnete: – Dann geh ich eben. Er ging, und augenblicklich verbesserte sich die Stimmung. Es war so, als hätte jemand, der einen eklig stinkenden Furz gelassen hatte, ihn irgendwie wieder ins Arschloch gesaugt.
    Aber er kam immer wieder mit seinem höhnischen, hämischen Gesichtsausdruck. Es war, als glaubte Venters, er allein sei unsterblich. Er hatte Spaß daran zuzuschauen, wie andere positiv denken wollten, um sie dann zu demoralisieren. Nie so offen, um aus der Gruppe geschmissen zu werden, aber immer deutlich genug, um den anderen fertigzumachen. Die Krankheit, die seinen Körper vernichtete, war nichts im Vergleich zu der rätselhafteren Krankheit, die seinen kranken Geist beherrschte.
    Ironischerweise betrachtete Venters mich als verwandte Seele, ohne zu ahnen, daß der einzige Grund, warum ich an den Treffen teilnahm, der war, ihn zu studieren. Ich redete nie in der Gruppe und setzte ein zynisches Gesicht auf, wenn jemand anderer sprach. Dieses Verhalten bildete die Grundlage, auf der ich mich mit Alan Venters anfreunden konnte.
    Das war leicht gewesen. Niemand sonst wollte etwas mit ihm zu tun haben; ich wurde sein Freund, weil ich der einzige war, der noch übrigblieb. Wir gingen zusammen was trinken, er hemmungslos, ich zurückhaltend. Ich erfuhr alles über sein Leben, sammelte alles Wissen gründlich und systematisch. Ich hatte einen Abschluß in Chemie von der Strathclyde University, aber ich habe mein Studium nicht annähernd so intensiv betrieben wie das Studium Venters’.
    Venters hatte sich wie die meisten in Edinburgh angesteckt, als er die Nadel teilte. Ironischerweise hatte er aufgehört Drogen zu nehmen, bevor er positiv getestet worden war, doch nun war er ein hoffnungsloser Säufer. So hemmungslos, wie er trank und sich bei einem seiner Marathonbesäufnisse ab und zu mal ein Brötchen oder ein Toast reinschob, war seine geschwächte Konstitution ein leichtes Opfer für alle möglichen Infektionen, die tödlich sein konnten. Während der Zeit, in der er mit mir verkehrte, prophezeite ich voller Zuversicht, daß er es nicht lange machen würde.
    Und genau so war

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