Trainspotting: Roman (German Edition)
Mitte der achtziger Jahre in der Stadt aus dem Boden schossen, nachdem der Medizinbedarfsladen in der Bread Street geschlossen worden war. Das hatte den Nachschub an Nadeln und Spritzen unterbunden. Danach gabs dann große Gemeinschaftsspritzen, und es wurde gerecht geteilt. Ich hab nen Kumpel, Tommy, der angefangen hat Heroin zu nehmen, als er mit diesen Typen in Leith rumhing. Einen von denen kenn ich aus meiner Zeit als Schreiner, Mark Renton. Es ist der reinste Hohn, Mark drückt seit Jahren und hat noch kein AIDS , soweit ich weiß, und ich hab das Zeug mein Lebtag noch nicht angerührt. Allerdings gab es in der Gruppe genug Junkies, um einem klarzumachen, daß Mark ja wohl die Ausnahme, nicht die Regel darstellte.
Die Gruppentreffen waren meistens recht angespannt. Die Junkies hatten etwas gegen die beiden Schwulen in der Gruppe. Sie glaubten, daß AIDS ursprünglich über einen ausbeuterischen schwulen Hausbesitzer in die Drogenszene der Stadt gekommen sei, der seine kranken Junkiemieter fickte und ihnen dafür die Miete erließ. Ich und zwei Frauen, eine davon die drogenfreie Partnerin eines Junkies, hatten etwas gegen alle anderen, weil wir weder schwul noch drogensüchtig waren. Erst glaubte ich, wie alle anderen auch, daß ich »unschuldig« infiziert worden war. Es war allzu leicht, den Junkies und Schwulen die Schuld daran zu geben. Aber ich hab die Plakate gesehen und die Broschüren gelesen. Ich erinnere mich noch an die Punk-Ära, an die Sex Pistols, die sangen, daß keiner unschuldig ist. Wie wahr. Aber dazu muß auch gesagt werden, daß manche schuldiger sind als andere. Was mich wieder zu Venters bringt.
Ich gab ihm eine Chance; die Chance, Reue zu zeigen. Das war entschieden mehr, als das Arschloch verdient hat. Bei einem Gruppentreffen erzählte ich die ersten einer Reihe von Lügen, die schließlich dazu führten, daß ich Alan Venters Seele in die Hand bekam.
Ich erzählte in der Gruppe, daß ich ungeschützten, penetrierenden Sex mit Leuten gehabt hatte, obwohl ich wußte, daß ich positiv war, und daß ich das nun bedauerte. Im Raum wurde es totenstill.
Alle rutschten nervös auf ihren Stühlen herum. Dann fing Linda, eine der Frauen, an zu weinen und schüttelte den Kopf. Tom fragte sie, ob sie gehen wolle. Sie sagte nein, sie wolle warten und hören, was die anderen zu sagen hatten, und schaute bei ihrer Antwort böse zu mir herüber. Ich kriegte von ihrer Wut allerdings nicht allzuviel mit; ich konnte meinen Blick nicht von Venters wenden. Er hatte den typischen, zutiefst gelangweilten Gesichtsausdruck. Ich war mir sicher, daß ein leichtes Lächeln um seine Lippen spielte.
– Das war sehr mutig von dir, das zu sagen, Davie. Ich weiß, das hat viel Mut gekostet, sagte Tom ernst.
Eigentlich nicht, du Wichser, das war eine Lüge. Ich zuckte mit den Schultern.
– Bestimmt ist da jetzt eine schwere Last von dir gefallen, fuhr Tom fort, hob die Augenbrauen und lud mich auf diese Weise ein, fortzufahren.
– Ja, Tom. Es mit euch teilen zu können. Es ist furchtbar… ich erwarte nicht, daß man mir vergibt…
Marjory, die andere Frau in der Gruppe, schleuderte mir eine Beleidigung ins Gesicht, die ich nicht ganz mitbekam, und Linda weinte noch immer, von dem Arsch, der mir gegenüber saß, kam nicht die leiseste Reaktion. Seine Selbstsucht und mangelnde Moral machten mich krank. Ich wollte ihn mit bloßen Händen auseinandernehmen, auf der Stelle. Ich mühte mich, alles unter Kontrolle zu halten, und weidete mich an meinem genialen Plan, ihn zu zerstören. Sollte die Krankheit seinen Körper haben; das war ihr Sieg, ganz gleich, welche böse Macht auch dahintersteckte. Mein Sieg würde größer, vernichtender ausfallen. Ich wollte seine Seele. Ich hatte vor, tödliche Wunden in seine angeblich unsterbliche Seele zu reißen. Amen.
Tom sah sich im Kreis um: – Kann jemand das nachfühlen? Was denkt ihr darüber?
Nach langem Schweigen, währenddessen mein Blick weiter auf Venters’ unbeteiligter Gestalt ruhte, räusperte sich der kleine Goagsie, einer der Junkies, nervös. Dann brach in einem fürchterlichen Schwall all das aus ihm heraus, was ich von Venters erwartet hatte.
– Ich bin froh, daß Davie das gesagt hat… hab ich auch gemacht… ich auch, verdammt… n unschuldiges Mädchen, das keinem was getan hat… ich hab einfach die ganze Welt gehaßt… na ja… mir war alles scheißegal! Was hab ich denn schon vom Leben… ich bin dreiundzwanzig, und ich hab nichts davon
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