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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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nicht weiter anzog.
    Nachdem ich sie aufgespürt hatte, begegnete ich ihr absichtlich-zufällig in einer heruntergekommenen Disco, wo ich die Rolle des charmanten und aufmerksamen Freiers spielte. Geld spielte dabei natürlich keine Rolle. Ich kriegte sie schnell rum; offenkundig war sie in ihrem Leben noch von keinem Mann anständig behandelt worden, und sie, die ein Kind großziehen und sich auf das Nötigste beschränken mußte, war Geld nicht gewöhnt.
    Das Schlimmste war der Sex. Ich bestand natürlich darauf, ein Kondom zu benutzen. Bevor es dazu kam, hatte sie mir schon von Venters erzählt. Edel wie ich war, sagte ich, daß ich ihr vertraute und auch bereit sei, ohne Kondom mit ihr zu schlafen, daß ich ihr aber die Unsicherheit nehmen wolle, und um ehrlich zu sein, hätte ich auch schon mit verschiedenen Leuten geschlafen. Angesichts ihrer Erfahrung mit Venters waren solche Zweifel ihrerseits ja auch angebracht. Als sie anfing zu weinen, dachte ich, ich hätte es vermasselt. Aber sie weinte nur aus Dankbarkeit.
    – Du bist wirklich ein netter Mensch, Davie, weißt du das? sagte sie. Wenn sie gewußt hätte, was ich vorhatte, dann hätte sie keine so hohe Meinung von mir gehabt. Ich kam mir gemein dabei vor, doch jedesmal, wenn ich an Venters dachte, verschwanden meine Schuldgefühle. Ich würde es durchziehen.
    Ich bandelte mit Frances genau zu der Zeit an, als Venters schwer krank wurde und er hilflos im Hospiz lag. Eine Reihe von Infekten, angeführt von einer Lungenentzündung, taten sich zusammen, um Venters fertigzumachen. Venters, und das hatte er mit einer Reihe von Positiven gemeinsam, die auf Drogen waren, entging den fürchterlichen Hautkrankheiten, die eher bei Schwulen auftreten. Hauptkonkurrent seiner Lungenentzündung war der sich ausbreitende Soor, der ihm in Rachen und Magen ging. Soor war nicht das erste, was dem Schwein die Kehle zudrücken wollte, aber vielleicht das letzte, wenn ich mich nicht beeilte. Sein Verfall schritt zügig voran, eigentlich zu schnell für meinen Geschmack. Ich dachte schon, daß der Kerl den Löffel abgeben würde, bevor ich meinen Plan ausführen konnte.
    Doch die Gelegenheit bot sich genau zum richtigen Zeitpunkt; am Ende war es wahrscheinlich halb Glück, halb Planung. Venters, nur noch ein schrumpliges Bündel aus Haut und Knochen, kämpfte. Jeden Tag sei es soweit, hatte der Arzt gesagt.
    Ich hatte Frances dazu gebracht, mir das Babysitten anzuvertrauen. Ich ermutigte sie, mit ihren Freunden auszugehen. Sie hatte vor, am Samstag abend indisch essen zu gehen und mich mit dem Kind allein in der Wohnung zu lassen. Ich nutzte die Gelegenheit, die sich mir bot. Am Mittwoch vor dem großen Tag beschloß ich, meine Eltern zu besuchen. Ich hatte vor, ihnen von meinem Zustand zu erzählen, und wußte, daß dies wahrscheinlich mein letzter Besuch sein würde.
    Meine Eltern hatten eine Wohnung in Oxgangs. Als Kind war sie mir immer so modern vorgekommen. Jetzt wirkte sie komisch, wie eine übriggebliebene Bruchbude aus langvergangenen Tagen. Die alte Dame öffnete die Tür. Einen Augenblick lang zögerte sie. Dann erkannte sie, daß ich es war, nicht mein jüngerer Bruder, also konnte sie ihr Portemonnaie steckenlassen. Sie begrüßte mich, und ihre Freude wurde durch die Erleichterung noch größer. – Hallo, Fremder, trällerte sie und winkte mich eilig herein.
    Ich erkannte den Grund für ihre Eile; im Fernsehen lief Coronation Street. Mike Baldwin war offenbar an den Punkt gelangt, wo er seiner Mitbewohnerin und Geliebten, Alma Sedgewick, die Wahrheit sagen mußte, daß er eigentlich auf die reiche Witwe Jackie Ingram stand. Mike konnte nicht anders. Er war ein Gefangener der Liebe, einer äußeren Macht, die ihn dazu zwang, sich so zu verhalten. Ich war ein Gefangener des Hasses, einer Macht, die ebenso große Forderungen an mich stellte. Ich setzte mich aufs Sofa.
    – Hallo, Fremder, wiederholte mein alter Herr, ohne von der Evening News aufzublicken. – Was gibts Neues? fragte er müde.
    – Nichts Besonderes.
    Eigentlich nicht, Vater. Ach, hab ich schon erwähnt, daß ich HIV -positiv bin? Das ist grad groß in Mode, weißt du? Heutzutage muß man einfach ein kaputtes Immunsystem haben.
    – Zwei Millionen Chinesen. Zwei Millionen von diesen Gelben. Die werden wir hierhaben, wenn Hongkong an China zurückfällt. Er schnaufte schwer. – Zwei Millionen Schlitzaugen, grübelte er.
    Ich sagte nichts, weigerte mich, den Köder zu schlucken. Seit ich auf die

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