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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Universität gegangen war und dafür, wie meine Eltern es nannten, »einen guten Beruf« gesteckt hatte, hatte sich der alte Herr angesichts meiner studentischen Revolutionsphase zu einem hartnäckigen Reaktionär entwickelt. Zu Anfang war das Ganze ein Witz gewesen, doch im Laufe der Jahre wuchs ich aus meiner Rolle heraus, und er klammerte sich dafür um so stärker an seine Haltung.
    – Du bist ein Faschist. Das kommt nur vom zu kurzen Pimmel, entgegnete ich fröhlich. Der feste Griff, mit dem Coronation Street die Psyche meiner Ma umklammerte, lockerte sich kurz, und sie drehte sich zu uns um und grinste wissend.
    – Red doch nicht son Blödsinn. Ich hab meine Männlichkeit schließlich bewiesen, Junge, erwiderte er wütend, wobei er darauf anspielte, daß ich fünfundzwanzig geworden war, ohne geheiratet oder Kinder in die Welt gesetzt zu haben. Einen Augenblick glaubte ich sogar, er würde seinen Schwanz rausholen und mir das Gegenteil beweisen. Statt dessen zuckte er nur mit den Schultern und kehrte wieder zu seinem Thema zurück. – Wie würde dir das gefallen, wenn zwei Millionen Chinesen in deiner Straße leben würden? Ich dachte über den Ausdruck »Schlitzaugen« nach und stellte mir Haufen halb leergegessener Alukartons vor, die in meiner Straße lagen. Mir das vorzustellen, fiel mir leicht, denn so sah es bei mir jeden Sonntag morgen aus.
    – Manchmal denke ich, das tun sie schon, dachte ich laut.
    – Siehst du, sagte er, als hätte ich ihm zugestimmt. – Und weitere zwei Millionen sind schon unterwegs. Wie findest du das?
    – Na, ich nehme doch an, daß nicht die ganzen zwei Millionen in den Caledonian Place ziehen werden. Ich meine, in diesem Ghetto von Dalry ist es eh schon überfüllt.
    – Mach du nur Witze. Und was ist mit Arbeitsplätzen? Sind jetzt schon zwei Millionen auf Stütze. Wohnungen? Die armen Schweine, die in Pappkartons hausen. Gott, ging er mir auf die Nerven. Glücklicherweise fuhr meine Ma, Hüterin der Glotze, dazwischen.
    – Seid still, alle beide! Ich versuch fernzusehen!
    Tut mir leid, Mutter. Ich weiß, es ist ein wenig egoistisch von mir, deinem HIV -Sohn, um deine Aufmerksamkeit zu hecheln, wenn Mike Baldwin gerade eine schwere Entscheidung zu treffen hat, die seine ganze Zukunft verändern wird. Welche groteske alte Schlampe wird der verschrumpelte alte Sack in den Wechseljahren vögeln wollen? Bleiben Sie dran.
    Ich beschloß, nichts über AIDS zu sagen. In solchen Dingen hatten meine Eltern keine allzu progressiven Ansichten. Oder vielleicht doch. Wer weiß? Jedenfalls kam es mir unpassend vor. Tom erzählte immer, daß wir im Einklang mit unseren Gefühlen leben müssen. Mein Gefühl war, daß meine Eltern mit achtzehn geheiratet und, als sie so alt waren wie ich heute, schon vier schreiende Bälger in die Welt gesetzt hatten. Die halten mich jetzt schon für »andersrum«. Und wenn ich jetzt noch mit AIDS käme, würde das ihren Verdacht bloß bestätigen.
    Statt dessen trank ich eine Dose Export und unterhielt mich mit meinem alten Herrn leise über Fußball. Er war seit 1970 nicht mehr bei einem Spiel gewesen. Das Farbfernsehen hatte seine Beine ersetzt. Zwanzig Jahre später gab es Satelliten und machte den Stadionbesuchen endgültig den Garaus. Und trotzdem hielt er sich immer noch für einen Fußballexperten. Die Meinung anderer zählte nicht. Außerdem war es reine Zeitverschwendung, sie zu äußern. Wie bei Politik, nahm er auch hier am Ende die entgegengesetzte Meinung von dem ein, was er zuvor gesagt hatte, und verteidigte seine Ansichten ebenso heftig. Man brauchte nur keinen allzu harten Widerstand aufzubauen, gegen den er anstreiten konnte, dann war er schließlich derselben Meinung.
    Ich saß eine Weile da und nickte. Dann kam ich mit einer banalen Ausrede und verschwand.
    Ich ging nach Hause und begutachtete meinen Werkzeugkasten. Die aus verschiedenen scharfen Werkzeugen bestehende Sammlung eines ehemaligen Schreiners. Am Samstag nahm ich den Kasten mit in Frances’ Wohnung in Wester Hailes. Ich hatte ein paar Arbeiten zu erledigen. Von einer allerdings hatte sie keine Ahnung.
    Fran hatte sich schon auf den Abend mit ihren Freunden gefreut. Sie plapperte pausenlos, während sie sich fertig machte. Ich versuchte, ihr mit mehr als einer Reihe leiser Grunzer, die wie »ja« und »stimmt« klangen, zu antworten, aber mir schwirrte der Kopf nur so vor Gedanken über das, was ich zu tun hatte. Ich saß zusammengekauert und angespannt auf dem Bett und

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