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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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haben wir nicht die Zeit. Allerdings muß ich dem alten Tom aus der Gruppe recht geben. Er hat mal gesagt, ich müßte meine Wut verarbeiten, und da hatte er recht. Allerdings hab ich ne Abkürzung genommen, indem ich Venters ins Jenseits schickte. Ich werde zwar ab und zu von Schuldgefühlen heimgesucht, aber damit kann ich umgehen.
    Ich habe schließlich meinen Eltern erzählt, daß ich AIDS habe. Meine Ma hat nur geweint und mich umarmt. Mein alter Herr hat nichts gesagt. Er war ganz bleich geworden, als er da vor dem Fernseher saß und A Question of Sports schaute. Als ihn seine heulende Frau drängte, endlich was zu sagen, meinte er nur: – Tja, was soll man da noch sagen. Diesen Satz wiederholte an andauernd. Er hat mir nicht ein einziges Mal in die Augen geschaut.
    An dem Abend, als ich wieder bei mir zu Hause war, klingelte es an der Tür. Ich nahm an, daß Donna nach Hause kam, die ausgegangen war, und machte die Tür auf. Einen Augenblick später stand mein alter Herr in der Tür, Tränen in den Augen. Das war das erste Mal, daß er überhaupt in meine Wohnung gekommen war. Er kam auf mich zu und umarmte mich fest, schluchzte und sagte immer wieder: – Mein Junge. Das war unendlich viel besser als: »Tja, was soll man da noch sagen.«
    Ich weinte laut und hemmungslos. Wie bei Donna, so war es auch bei meiner Familie. Wir haben eine Vertrautheit gefunden, die uns unter anderen Umständen vielleicht entgangen wäre. Wenn ich doch nur nicht so lange damit gewartet hätte, ein Mensch zu werden. Aber lieber spät als gar nicht, das könnt ihr mir glauben.
    Hinterm Haus spielen ein paar Kinder, und der Grasstreifen wird von der strahlenden Sonne in ein sattes Grün getaucht. Der Himmel ist wunderbar klar und blau. Das Leben ist schön. Ich werde es genießen, und ich werde lange leben. Ich werde ein Langzeit-Überlebender sein, wie die Mediziner das nennen. Ich weiß es einfach.
    There is a Light That Never Goes Out
    Sie treten aus der Tür hinaus in die Dunkelheit der menschenleeren Straße. Einige von ihnen gehen krampfartig, wie besessen, sind überdreht und lärmend. Andere bewegen sich schweigend, wie Gespenster; alles tut ihnen weh, aber sie haben Angst vor drohenden, noch größeren Schmerzen und Unwohlsein.
    Ihr Ziel ist ein Pub, das ein zerfallendes Wohnhaus zu stützen scheint; es steht in einer Querstraße zwischen der Easter Road und dem Leith Walk. Die Straße hat die große Reinigungsaktion verpaßt, in dessen Genuß ihre Nachbarn gekommen waren, und die Gebäude sind so schmierig schwarz wie eine Lunge bei vierzig Stück am Tag. Es ist so dunkel, daß man vor dem Hintergrund des Himmels kaum die Umrisse des Hauses ausmachen kann. Sie können sie nur im Schein des einsamen Lichts, das aus einem Fenster im oberen Stock strahlt, oder der grellen Straßenlaterne erkennen, die von der Fassade absteht.
    Die Front des Pubs ist in einem dicken, glänzenden Dunkelblau gestrichen, das Pubschild im Stil der siebziger Jahre, den die Brauerei bevorzugte, als jede Bar einheitlich auszusehen und seinen individuellen Charakter, so vorhanden, herunterzuspielen hatte. Wie die Wohnhäuser ringsherum, wurde auch das Pub in bald zwanzig Jahren höchstens oberflächlich renoviert.
    Es ist sechs nach fünf, und die gelben Lichter des Wirtshauses leuchten, ein Schutzhafen in den dunklen, feuchten und leblosen Straßen. Ist schon ein paar Tage her, denkt sich Spud, daß er Licht gesehen hat. Sie waren wie Vampire, führten ein weitgehend nächtliches Leben, völlig außerhalb des Rhythmus der anderen Menschen, die in den Mietshäusern wohnten und nach einem Dienstplan aus Schlaf und Arbeit lebten. Es war gut, anders zu sein.
    Obwohl das Pub erst vor wenigen Minuten geöffnet hat, ist es schon ziemlich voll. Drinnen gibt es eine lange, resopalbeschichtete Theke mit mehreren Zapfhähnen für Bier und Soda. Auf dem dreckigen Linoleum stehen wacklige Tische mit derselben Resopalbeschichtung. Hinter der Theke ragt ein unpassend prächtiges, feingeschnitztes Holzregal auf. Kränklich gelbes Licht von blanken Glühbirnen prallt von den nikotingefärbten Wänden.
    Im Pub sitzen waschechte Schichtarbeiter aus der Brauerei und dem Krankenhaus, und so soll es dem Zweck der Frühkonzession entsprechend auch sein. Es gibt aber auch ein paar von den Verzweifelteren: jene, die hier sind, weil sie hier sein müssen.
    Die Gruppe, die jetzt das Pub betritt, wird ebenfalls vom Verlangen getrieben, dem Verlangen, zusammen zu sein, sich an

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