Trainspotting: Roman (German Edition)
die Kräfte zu klammern, die sie in den letzten Tagen des heftigen Feierns zusammengeschweißt haben.
Ihr Eintreten wird von einem Säufer unbestimmten Alters beobachtet, der an der Theke lehnt. Das Gesicht des Mannes ist vom billigen Fusel und dem zu langen Aufenthalt in den frostigen Winden, die brutal von der Nordsee herüberwehen, zerstört. Es sieht aus, als wäre jedes einzelne Äderchen unter der Haut geplatzt, wodurch es den zu kurz gekochten eckigen Würstchen ähnelt, die in den Lokalen in der Gegend serviert werden. Im Kontrast dazu steht das kalte Blau seiner Augen, wenn auch das Weiß die gleiche Farbe hat wie die Pubwände. Sein Gesicht verzerrt sich in vagem Erkennen, als die lärmende Gruppe an die Theke tritt. Einer der jungen Männer ist sein Sohn, denkt er hämisch, vielleicht mehr als nur einer. Er war für die Geburt einer ganzen Reihe von ihnen verantwortlich, als ein bestimmter Frauentyp ihn attraktiv fand. Das war, bevor der Alkohol sein Aussehen ruiniert und den Anstoß seiner gemeinen scharfen Zunge in unverständliches Gelalle verwandelt hatte. Er sieht den betreffenden jungen Mann an und will gerade etwas zu ihm sagen, doch dann stellt er fest, daß er ihm nichts zu sagen hat. Hatte er noch nie. Der junge Mann nimmt ihn gar nicht wahr und konzentriert sich darauf, die Drinks zu besorgen. Der alte Säufer sieht, daß der junge Mann sich in seiner Gesellschaft und beim Trinken wohlfühlt. Er erinnert sich daran, daß er selbst einmal so war. Das Hochgefühl und die Gesellschaft verschwanden, der Alkohol nicht. Das Trinken füllte sogar die Leere aus, die ihr Verschwinden hinterlassen hatte.
Das letzte, was Spud will, ist noch ein Glas Bier. Bevor sie losgezogen sind, hat er sich in Dawsys Bude im Badezimmerspiegel betrachtet. Sein Gesicht war blaß und voller Flecken, und schwere, dunkle Augenlider mühten sich, ihm den Blick auf die Wirklichkeit zu verstellen. Auf seinem Kopf thronten ein paar Büschel abstehender sandfarbener Haare. Es wäre vielleicht nicht schlecht, findet er, einen Tomatensaft zu trinken, für seinen schmerzenden Magen, oder einen frischen Orangensaft und Limonade, um gegen die Dehydrierung anzugehen, bevor er wieder Alkohol trank.
Die Hoffnungslosigkeit seiner Lage wird noch verstärkt, als er ergeben das Pint Lager entgegennimmt, das ihm Frank Begbie, der als erster an der Theke war, reicht.
– Prost, Franco.
– Ich krieg n Guinness, Franco, verlangt Renton. Renton ist gerade aus London zurück. Er ist ebenso froh, wieder hier zu sein, wie damals, wegzukommen.
– Das Guinness is beschissen hier, sagt Gav Temperley zu ihm.
– Egal.
Dawsy hebt die Augenbrauen und schmalzt die Barfrau an.
– Yeah, yeah, yeah, you’re a beautiful lover.
Sie hatten einen Wettbewerb um den bescheuertsten Song abgehalten, und seitdem hat Dawsy nicht mehr aufgehört, seinen Siegerbeitrag zu trällern.
– Ach, halt die Schnauze, Dawsy. Alison stößt ihm in die Rippen. – Willste, daß wir rausfliegen?
Die Barfrau kümmert sich sowieso nicht um ihn. Also dreht er sich um und singt Renton an. Renton lächelt nur müde. Das Problem mit Dawsy ist, so denkt er, daß der Kerl es immer übertreiben muß, wenn man ihn mal ermutigt. Schon vor einigen Tagen war es nicht besonders witzig gewesen, erst recht nicht, findet er, so lustig wie seine Version von Rupert Holmes’ »Escape (The Pina Colada Song)«.
– I can remember the night that we met down in Rio… das Guinness is die letzte Plörre hier. Bist doch bescheuert, hier Guinness zu trinken, Mark.
– Ich habs ihm schon gesagt, meint Gav triumphierend.
– Egal, erwidert Renton mit einem müden Lächeln auf den Lippen. Er ist betrunken. Er spürt Kellys Hand in seinem Hemd, wie sie seine Brustwarze zwickt. Das hat sie schon die ganze Nacht gemacht und ihm gesagt, daß sie eine flache, unbehaarte Brust wirklich mag. Es ist schön, an den Brustwarzen berührt zu werden. Und wenn es Kelly macht, ist es noch schöner als schön.
– Wodka Tonic, sagt sie zu Begbie, der ihr von der Theke aus signalisiert. – Gin Limo für Ali. Die is grad aufm Topf.
Spud und Gav unterhalten sich weiter an der Theke, während die anderen sich auf ein paar Stühle in einer Ecke hocken.
– Wie gehts June? fragte Kelly Franco Begbie; sie meint seine Freundin, die schon wieder schwanger sein soll, wo sie doch gerade eben erst ein Kind gekriegt hat.
– Wer? blafft Franco aggressiv. Ende der Diskussion.
Renton schaut sich das Frühprogramm im
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