Trainspotting: Roman (German Edition)
Venters zu sagen und log auch nicht lang rum, das muß man ihm zugute halten. Das Ganze war kurz und schmerzlos. Alan habe viele Fehler in seinem Leben gemacht, sagte er. Niemand widersprach ihm. Alan werde, wie wir alle, von Gott gerichtet werden, der ihn erlösen werde. Eine interessante Vorstellung, aber ich denke, der alte Kerl da oben hat ne ziemliche Plackerei vor sich, falls das Schwein da hochkommt. Und wenn, dann probier ich es doch lieber woanders, vielen Dank.
Draußen sah ich mir die Kränze an. Für Venters gab es nur einen. »Alan. In Liebe, Mama und Sylvia.« Meines Wissens hatten sie ihn nie im Hospiz besucht. Sehr klug von ihnen. Manche Leute kann man leichter lieben, wenn man nicht in ihrer Nähe sein muß. Ich schüttelte Tom und den anderen die Hand, dann ging ich mit Fran und Kev ein erstklassiges Eis essen, bei Lucas in Musselburgh.
Natürlich hatte ich Venters mit all dem, was ich Kevin angeblich angetan hatte, reingelegt. Im Gegensatz zu ihm bin ich ja keine verdammte Bestie. Ich bin weit davon entfernt, stolz darauf zu sein, was ich denn doch getan habe. Ich bin, das Wohl des Kleinen betreffend, ein großes Risiko eingegangen. Von meiner Arbeit im OP weiß ich, wie wichtig der Anästhesist ist. Das sind die Jungs, die einem am Leben erhalten, nicht diese sadistischen Schweine wie Howison. Wenn einen das Betäubungsmittel flachgelegt hat, halten einen die Anästhetika betäubt, und man wird an das Lebenserhaltungssystem angeschlossen. Alle Lebenszeichen werden unter genau kontrollierten Bedingungen beobachtet. Die achten auf alles.
Chloroform ist da ein ganz grobes Mittel und sehr gefährlich. Mich schaudert es noch immer bei dem Gedanken an das Risiko, das ich bei dem kleinen Kerl eingegangen bin. Zum Glück ist Kevin wieder aufgewacht und hatte als Andenken an seinen Ausflug in die Küche nur leichte Kopfschmerzen und ein paar Alpträume.
Der Scherzartikelladen und Humbrol-Emailfarben sorgten für die Wunden. Aus Frans Make-up und Puder zauberte ich Kevins Totenmaske. Mein größter Coup aber waren die drei Halbliter-Blutkonserven, die ich aus dem Kühlschrank der Pathologie im Krankenhaus mitgenommen hatte. Ich bin bald ausgerastet, als mir Howison, dieser Wichser, einen bösen Blick zuwarf, als ich im Flur an ihm vorbeikam. Aber das macht er ja immer. Ich glaub, das kommt daher, daß ich ihn einmal »Doktor« genannt habe, nicht »Mister«. Er ist schon ein komischer Typ. Aber das sind die meisten Chirurgen. Das muß man bei dem Job wohl auch werden. Genau wie bei Toms Job, denk ich.
Kevin zu betäuben war ganz einfach. Das größte Problem bestand darin, die ganze Szene innerhalb einer halben Stunde aufzubauen und wieder zu beseitigen. Das Schwierigste dabei war, ihn wieder zu säubern, bevor ich ihn zurück ins Bett brachte. Wasser langte nicht, ich mußte auch Terpentin nehmen. Ich brauchte den ganzen Abend dazu, die Küche zu putzen, bevor Frances zurückkam. Aber es hat sich gelohnt. Die Fotos waren überzeugend. Überzeugend genug, um Venters alle zu machen.
Seit ich Al auf den Weg zu seinem großen Termin da oben gebracht habe, läuft das Leben ganz gut. Frances und ich sind wieder unserer Wege gegangen. Wir haben auch nie wirklich zusammengepaßt. Sie betrachtete mich nur als Babysitter und Brieftasche. Und für mich ist die Beziehung nach Venters Tod sowieso völlig überflüssig geworden. Kevin vermisse ich eher. Ich wünschte mir, ein Kind zu haben. Aber das wird ja nun nichts mehr. Fran hat zu mir gesagt, daß ich ihr nach Venters den Glauben an die Männer wiedergegeben habe. Es ist schon ironisch, aber irgendwie scheine ich meine Rolle im Leben gefunden zu haben – hinter dem Arschloch den Seelenschrott aufzuräumen.
Ich bin soweit gesund, toi toi toi. Ich habe immer noch keine Symptome. Ich habe Angst vor Erkältungen, davon bin ich ab und zu ganz besessen, aber ich achte auf mich. Mal abgesehen von nem Bier ab und zu trinke ich nicht. Ich achte auf meine Ernährung und mache täglich ein leichtes Fitneßprogramm. Ich lasse regelmäßig mein Blut untersuchen und achte auf die T4-Werte. Die liegen immer noch weit über der kritischen 800er-Marke; eigentlich sind sie noch gar nicht gesunken.
Ich bin wieder mit Donna zusammen, die ja unwissentlich als Aids -Überträgerin zwischen mir und Venters gedient hat. Wir haben etwas gemeinsam, was wir wohl unter anderen Umständen nie an uns entdeckt hätten. Na ja, vielleicht doch. Jedenfalls reden wir nicht drüber, dazu
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